Karl Mahrer: Ende einer patscherten Polit-Karriere

WIEN-WAHL: ÖVP WIEN WAHLABEND - MAHRER
Der einstige Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer zieht sich aus der Politik zurück. Sein Abgang kommt so überraschend wie ungeschickt.

Ein letztes Mal stellte Karl Mahrer am Montag noch sein politisches Feingefühl unter Beweis: Er verkündete um 11 Uhr via Aussendung seinen politischen Rückzug. Also auf die Minute genau zu jenem Zeitpunkt, an dem ganz Polit-Österreich eigentlich darauf wartete, ob und wovon ein ganz anderer Mahrer zurücktreten wird – Harald Mahrer nämlich, der zuletzt als Wirtschaftskammer-Chef schwer unter Beschuss geraten war.

Nach einigen Momenten der Verwirrung war klar: Karl Mahrer, der als glückloser Wiener ÖVP-Chef bis zuletzt als einfacher Abgeordneter im Gemeinderat saß, legt sein Mandat zurück. Harald Mahrer hingegen gibt sein Amt als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank auf.

Karl Mahrer geht damit jedenfalls so, wie er auch sein Amt ausgestaltet hat: etwas tollpatschig. Den Termin wählte Mahrer nämlich ganz bewusst. Nicht etwa als verfrühten Faschingsscherz vor dem 11. November, sondern, weil er ein „persönliches Jubiläum“ markiert. Am 9. November 2017 – also vor (fast genau) acht Jahren trat der Spätberufene in die Parteipolitik ein.

Unter Kurz zur ÖVP, dann nach Wien

Karriere machte der mittlerweile 70-Jährige eigentlich bei der Polizei, wo er es bis zum stellvertretenden Landespolizeipräsidenten von Wien schaffte. Dann holte ihn Sebastian Kurz für seine damals neue türkise ÖVP, Mahrer zog als Sicherheitssprecher der Partei in den Nationalrat ein.

Seinen großen Auftritt hatte er allerdings erst, als die Ära Kurz zu Ende ging. Mahrer folgte Gernot Blümel als Wiener ÖVP-Chef nach, als dieser im Dezember 2021 überraschend zurücktrat. Es folgte ein Schlingerkurs: Vor allem jene in der Partei, die mit dem Mitte-Rechts-Kurs unter Blümel weniger anfangen konnten, setzten große Hoffnungen in den „Elder Statesman“ Mahrer.

Dieser gab sich zu Beginn nach innen wie nach außen verbindlich: Er stellte die Führungsspitze der Partei wieder breiter auf und versuchte (erfolglos), das seit Längerem schwierige Verhältnis der Partei zur ÖVP-dominierten Wiener Wirtschaftskammer zu kitten. Auch in Richtung SPÖ zeigte sich Mahrer gesprächsbereit – bis hin zur Ansage, als Juniorpartner in eine Rathaus-Koalition einsteigen zu wollen.

Er stolperte über den Videobeweis

Dann kam unerwartet der Bruch: In seiner Neujahrsansprache 2023 verschärfte Mahrer die Gangart, inhaltlich wie in der Inszenierung. Der ÖVP-Chef ging in Frontalopposition zu Rot-Pink und wandelte zunehmend auf den Spuren der FPÖ; der blaue Parteichef Dominik Nepp adelte Mahrer später tatsächlich ironisch zu „seinem besten Mann“.

Den Anfang vom Ende verorten manche aus der Partei retrospektiv am Brunnenmarkt. Konkreter: in jenem Video, in dem Mahrer den beliebten Markt als Beispiel für gescheiterte Integration anführte und migrantische Wirtschaftstreibende verunglimpfte. (Spätestens da platzte der Wirtschaftskammer wieder der Kragen.) Mahrer ließ sich nicht beirren und legte nach. Höhe- bzw. eher Tiefpunkt: Ein Video, in dem er einen schlafenden Mann auf der Mariahilfer Straße filmte.

Stolperstein Wien-Wahlkampf

Mahrer baute seinen Kreis an Beratern um und ab, am Ende traf er die Entscheidungen weitgehend alleine oder im Duo mit seinem Parteimanager Peter Sverak. Im Wien-Wahlkampf verlor er letztendlich gänzlich das Gefühl für das, was bei Basis und Wähler funktioniert. Hinzu kam eine Anklage der WKStA, die Mahrer in der Causa Wienwert wegen Beitrag zur Untreue vor Gericht bringt.

Die ÖVP landete im April auf dem historischen Tiefststand von 9,6 Prozent. Mahrer legte kurz darauf den Posten als Parteichef zurück, blieb aber Mandatar im Gemeinderat. Bis Montag. „Diese acht Jahre waren prägend und vielseitig“, sagt er in einer Aussendung. Er habe „in dieser Zeit viel gelernt, gestalten können und viele Begegnungen erlebt, die mich nachhaltig geprägt haben“. Nun sei es an der Zeit, in „ruhiger Entschlossenheit“ einen „neuen Abschnitt zu beginnen“. Sein neuer Weg solle ihm „neue Horizonte öffnen“. Details sind noch nicht bekannt.

Im Gemeinderat folgt ihm Judith Edelmann nach, die politisch in der Josefstadt und im Wirtschaftsbund verankert ist. Sie war die nächstgereihte Kandidatin auf der ÖVP-Liste. Die neue Parteispitze würdigt Mahrer: Er habe „mit großem Engagement die Partei geführt, dafür gebührt ihm aufrichtiger Dank“, wird Markus Figl, der seit April die Partei führt, zitiert.

Den Zeitpunkt des Abschieds kommentiert man nicht. Dem Vernehmen nach war die Partei nicht eingebunden, Mahrer informierte sie kurzfristig. Auch hier blieb er sich im Abgang treu.

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