Ein Antrag im Wiener Gemeinderat, mit dem die ÖVP Marxisten aufspüren will, hat in den vergangenen Tagen für Aufregung gesorgt.
Karl Mahrer, der die Partei seit Ende 2021 führt, erklärt, was dahinter steckt – und argumentiert, warum er als Bürgerlicher in der Stadt keine Autos mehr sehen will.
KURIER: Herr Stadtrat, woran erkennen Sie einen Marxisten?
Karl Mahrer: Etwa daran, dass er einen Hintergrund wie SPÖ-Chef Andreas Babler hat. Er hat in seinem Büro ja angeblich nicht nur eine Marx-Büste stehen, sondern auch eine Lenin-Büste. Wenn ich mich erinnere, dass die Marxisten von der Diktatur des Proletariats fantasieren und Andreas Babler gerne mit der erhobenen Faust in den politischen Diskurs zieht, dann kann ich das nur ablehnen. Weder eine Diktatur noch die Faust haben bei uns etwas verloren.
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Der „Marxismus-Check“, den Sie fordern, soll aber nicht den SPÖ-Vorsitzenden betreffen – sondern private Personen und Vereine, die öffentliche Förderungen erhalten. Wie decken Sie dort Marxisten auf?
Unsere Forderung ist, dass wir in Wien genau hinsehen, wer und was hinter Vereinen steckt. Etwa, indem man den Hintergrund der handelnden Personen unter die Lupe nimmt und schaut, ob ihre Gesinnung zu unserer liberalen Demokratie passt.
"Farbe bekennen gegen Linksextremismus"
Mutet es nicht gerade in einem liberalen Staat problematisch an, Bürger hinsichtlich ihrer Weltanschauung zu durchleuchten? Nicht zuletzt, wenn diese nicht verboten ist. Das sind Methoden, die eher zu illiberalen Regimen passen.
Es geht uns nicht um Privatpersonen, sondern um Vereine. Bei rechtsextremen Vereinen sind wir uns einig: Diese würden wir nicht fördern, auch wenn sie in ihrer Arbeit vielleicht Gutes tun. Einfach, weil ihr ideologischer Hintergrund nicht förderwürdig ist. Gegenüber Linksextremismus müssen wir ebenso klar Farbe bekennen.
Nur zur Klarstellung: Ist ein Marxist ein Linksextremist?
Nicht zwangsläufig. Aber Marxismus kann die Wurzel für Linksextremismus sein. Der Steuerzahler muss sich darauf verlassen können, dass wir das nicht mit seinem Geld subventionieren.
Staatlicher Sexismus-Check?
Es gäbe noch andere Denkmuster und Gesinnungen, die nicht förderwürdig wären – etwa Sexismus. Soll es da auch einen staatlichen Check geben?
Nein, darum geht es uns nicht. Wir wollen konkret Rechts- und Linksextremismus sowie den politischen Islam ins Visier nehmen.
Aber ich nehme an, Sie sind gegen Sexismus?
Das ist eine andere Geschichte. Sexismus ist nicht staatsgefährdend. Links- und Rechtsextremismus sind es schon.
Sie haben den Rechtsextremismus nun selbst mehrfach angesprochen. Wie geht es Ihnen damit, dass drei ÖVP-Landesparteien mit der FPÖ koalieren?
Die ÖVP hat etwa in Niederösterreich zuerst mit der SPÖ verhandelt, aber die SPÖ hat es versemmelt. Johanna Mikl-Leitner war, um das Land weiterzuführen, gefordert, einen anderen Partner zu finden.
ÖVP-Chefin Mikl-Leitner hat FPÖ-Obmann Udo Landbauer zum stellvertretenden Landeshauptmann in Niederösterreich gemacht. Würden seine Sager zu NS-Liederbüchern und zur Erdbebenhilfe den „Rechtsextremismus-Check“ durch Karl Mahrer bestehen?
Ich mische mich nicht in Niederösterreich ein.
"Meinen moralischen Check besteht Kickl nicht"
Sie müssen sich nicht einmischen. Aber ich erinnere mich an Ihre harten Worte gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl nach dessen Aschermittwoch-Rede. Würde die FPÖ einen Rechtsextremismus-Check bestehen?
Ob Herbert Kickl Rechtsextremist ist, muss der Verfassungsschutz beurteilen. Meinen moralischen Check besteht er nicht. Es gibt in der FPÖ viele Persönlichkeiten, mit denen man gut verhandeln kann. Herbert Kickl und Udo Landbauer zähle ich für mich nicht dazu.
Wenn Ihnen Rechtsextremismus missfällt, missfällt Ihnen sicher auch Antisemitismus. Warum soll das Lueger-Denkmal stehen bleiben, aber der Karl-Marx-Hof umbenannt werden? Weil man Lueger und andere historische Personen nicht aus der Geschichte streichen soll. Es muss Orte geben, an denen man sich ihrer erinnert. Lueger hat wie Marx viele Facetten, mit denen man sich kritisch befassen soll. Daher finde ich die Kontextualisierung des Denkmals richtig. Dass ausgerechnet ein Gemeindebau als Ort der kritischen Auseinandersetzung geeignet ist, glaube ich nicht.
Als Sie Ihr Amt antraten, wollten Sie Bürgernähe beweisen. Gelingt Ihnen das?
Ja, sehr gut sogar. Ich spreche die Probleme an, die die Menschen bewegen. Dafür ernte ich am Anfang oft Häme – und dann zeigt sich immer, dass ich recht habe.
Umstrittenes Brunnenmarkt-Video war "zu kurz"
Sie meinen wohl das umstrittene Brunnenmarkt-Video. Würden Sie es heute erneut in dieser Form publizieren?
Nein. Ich habe seither in vielen Gesprächen dargelegt, dass im Video nicht prägnant genug herausgearbeitet wurde, worum es mir geht. Dafür war es zu kurz. Und manche wollten mich falsch verstehen. Ich bin für ein buntes Leben auf Märkten mit Menschen aller Nationalitäten. Aber zu diesen Nationalitäten gehören auch die Österreicher. Und die fehlen am Brunnenmarkt. Wir haben bei unseren Videos seither nachgebessert und erklären sie besser – etwa unser jüngstes zur Unsicherheitszone Gumpendorfer Straße, wo wir die Probleme ganz nüchtern schildern.
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Ich wohne auf der Gumpendorfer Straße und erlebe sie nicht als Unsicherheitszone.
Wenn Sie sich wohlfühlen, wenn Drogenabhängige und Alkoholiker die Ausgänge der U6-Station blockieren, dann gratuliere ich Ihnen. Auch die SPÖ ignoriert das Problem. Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass die schweigende Mehrheit das anders sieht. Ich werde mir den Mund nicht verbieten lassen und weiter die Probleme – etwa die Abschottungstendenzen in einigen Bezirken – benennen und Lösungsvorschläge aufzeigen.
Wie sieht Ihre Lösung für Wiener Grätzel, die Abschottungstendenzen zeigen, aus?
Ich will ein genaues Monitoring darüber, wer wo wohnt: Sprache, Bildungsgrad, soziale Einbettung, Kriminalität, Arbeitslosigkeit. In Dänemark wird das gemacht. Man muss jedes Grätzel analysieren und eine gute Balance der Kulturen schaffen.
Grätzel als Ghettos?
Das dänische Modell klassifiziert Grätzel als Ghettos, aus denen Menschen abgesiedelt werden. Wollen Sie das?
Nein, das will ich eben nicht. Ich vermeide den Begriff Ghetto. Und ich will niemanden absiedeln.
Wie wollen Sie denn dann eine bessere Durchmischung schaffen?
Wir müssen eingreifen, damit Österreicher wieder in Gebiete ziehen, wo derzeit andere Kulturen vorherrschen. Wenn man Grätzel – wie Teile Favoritens – verkommen lässt, tut das keiner. Wir müssen dort attraktivere Wohnzonen schaffen. Mit geförderten Sanierungen, guter Oberflächengestaltung, besseren Geschäften in den Erdgeschoßzonen.
Um ehrliche Durchmischung zu erreichen, könnten auch Anreize geschaffen werden, damit Migranten umziehen. Etwa in den 1. oder den 13. und 19. Bezirk.
Nein, darum geht es nicht.
Wer ist für Sie ein Österreicher?
Jeder, der die österreichische Staatsbürgerschaft hat.
Strengere Regeln für Staatsbürgerschaft
Viele jener Migranten zweiter und dritter Generation, über die Sie sprechen, haben die Staatsbürgerschaft – sind also Österreicher.
Das kann man so nicht sagen. Ich fordere daher auch strengere Regeln zur Vergabe der Staatsbürgerschaft. Diese sollen nur Menschen erhalten, die sich mit unseren Werten identifizieren. Es gibt sicher viele Migranten in Favoriten, auf die das zutrifft. Aber es gibt eben auch andere. Wien darf nicht mehr die Zuwanderungshauptstadt sein, in der man Geld bekommt, ohne arbeiten zu müssen. Die Menschen, die rechtmäßig zu uns kommen, sollen hier ein glückliches Leben haben. Aber kein Leben in der Hängematte. Das sieht die SPÖ leider anders als ich.
Wir haben viel über andere Ideologien gesprochen. Wie steht es denn um jene der Wiener ÖVP? Was bedeutet „bürgerlich“ im Jahr 2023?
Wir haben einen Dialogprozess gestartet, der uns gezeigt hat, dass Menschen mit althergebrachten Begriffen – also: bürgerlich, christlich-sozial, liberal – wenig anfangen können. Aber die Werte, die hinter den Begriffen stehen, sind ihnen wichtig: etwa Sicherheit, Ordnung, Subsidiarität, Solidarität, Freiheit. Daher stehen wir auch für Wahlfreiheit.
Autos nicht verbieten
Wahlfreiheit ist doch kein politisches Programm. Aufgabe von Politik ist es, Positionen und Lösungen zu entwickeln, die uns als Gesellschaft weiterbringen.
Ja, aber wir wollen keine Zwänge, sondern Anreize schaffen. Die Mobilität ist ein gutes Beispiel: Die ÖVP gilt als Autofahrerpartei. Das sind wir aber nicht. Ich wünsche mir ein Wien, in dem keine Autos mehr an der Oberfläche zu sehen sind. Ich will schön gestaltete, grüne, coole Oberflächen. Dafür müssen wir den Menschen Alternativen bieten, mit Park-&-Ride-Anlagen, guten Öffi-Anbindungen. Aber wir werden ihnen das Auto nicht verbieten, wie das Grüne und SPÖ tun.
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