Wiens neue Stadtteile im Praxistest
Es ist eine Welt der strengen Regeln, in der die Kinder auf den ehemaligen Bombardier-Gründen in Floridsdorf aufwachsen. Die Spielplätze zwischen den seit den 90er-Jahren errichteten Wohnhäusern sind gepflastert mit Verbotsschildern. "Steine werfen verboten", ist da etwa zu lesen. Eine andere Tafel weist die Kinder darauf hin, dass Spielen ausschließlich von 9 bis 12 und von 14 bis 20 Uhr erlaubt ist.
"Anders als etwa im Sonnwendviertel gibt es hier kein Stadtteilbüro der Gebietsbetreuung, die sich um das Zusammenleben der Menschen kümmert. Deshalb wird so viel über Verbote geregelt", sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Wiener Arbeiterkammer (AK). Im Rahmen einer Studie hat sie die Gestaltung von drei Stadtentwicklungsgebieten untersucht, die in den vergangenen Jahren angesichts des enormen Bevölkerungswachstums der Stadt entstanden sind.
Neben den Bombardier-Gründen nahmen die AK-Experten die Seestadt Aspern und das Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof unter die Lupe.
Etliche Jahre später als der Stadtteil in Floridsdorf geplant, sei die Gestaltung des Sonnwendviertels wesentlich bewohnerfreundlicher ausgefallen, schildert Ritt. Ein Beispiel: "Die Bauträger haben die für ihre jeweiligen Wohnhäuser vorgesehenen Freiflächen zusammengelegt. So entstanden großzügige, belebte Innenhöfe ohne Abgrenzungen", sagt der Experte.
Deutlich weniger gelungen sei hingegen das Management der Erdgeschoßzonen. In den Lokalen haben sich mangels anderer Mieter vor allem Einrichtungen wie Kindergärten oder Arztpraxen angesiedelt. Die Auslagen-Fenster sind daher vielfach mit Sichtschutz-Folien abgeklebt. "Dadurch wirken die Straßen tot und abweisend", sagt Ritt.
Branchenmix
"Besser gelöst wurde dieses Problem in der Seestadt. Dort hat eine eigene Betreibergesellschaft für die Erdgeschoßzonen bei der Vermietung dafür gesorgt, dass ein gewisser Branchenmix entsteht." Das Ergebnis seien wesentlich freundlichere, lebendigere Straßenzüge.
Dass es davon im Sonnwendviertel so wenige gibt, hat laut dem AK-Experten noch einen zweiten Grund: Die Planer hätten verabsäumt, eine Verbindung zu den den angrenzenden bestehenden Vierteln des 10. Bezirks zu schaffen. Stattdessen liegt die Sonnwendgasse wie eine unüberwindliche Barriere zwischen den alten und neuen Grätzeln. Vier Fahrstreifen und fehlende Fußgänger-Übergänge machen es Passanten schwer, von dem einen ins andere Viertel zu wechseln.
Was die Gestaltung der öffentlichen Räume angeht, habe hingegen die Seestadt laut Ritt einen gewissen Vorbild-Charakter. "Von der Gestaltung der Geschäftsstraßen bis hin zu Mikrofreiräumen für die Bewohner gibt es hier vieles, was man für andere Projekte übernehmen könnte", ist der Experte überzeugt. "Allerdings hat man in die Seestadt besonders viel investiert, weil sie ein Vorzeigeprojekt sein soll – und rundherum einfach nichts vorhanden ist."
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