Wiens Kaffeekünstler laufen Traditionsbetrieben den Rang ab

Wiens Kaffeekünstler laufen Traditionsbetrieben den Rang ab
Coffeeshop-Betreiber pflegen die hohe Mahlkunst und bringen Traditionsbetriebe in Erklärungsnot. Die sehen das freilich anders.

Otto Bayer lässt nicht einfach einen Espresso bei der Maschine herunter. Was Otto Bayer, Chef der Kaffeebar Balthasar in Wien-Leopoldstadt, macht, vereint unendliche Hingabe und präzise Wissenschaft.

Exakt 21 Gramm Kaffee kommen in den Siebträger, er drückt sie fest, spannt das Sieb ein und ändert den Druck auf den Kaffee zwei Mal: Weniger Druck macht den Espresso fruchtiger, mehr Druck lässt ihn schokoladiger schmecken. Die Crema seines Espressos ist fast einen Zentimeter hoch. Für den Kaffee des 56-Jährigen stehen Menschen Schlange.

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Volle Konzentration: Otto Bayer zaubert ein  Blatt in den  Milchschaum

Die Begeisterung für richtig guten Kaffee ist in Wien mittlerweile so groß geworden, dass sich immer mehr Menschen privat zu Home Baristas (Baristas sind jene Personen, die in Cafés für die Zubereitung des Kaffees zuständig sind, Anm.) ausbilden lassen. „Sie legen großen Wert auf guten Kaffee zu Hause und geben viel Geld für passende Siebträger-Maschinen aus“, sagt Johanna Wechselberger.

Die Rösterin ist Chefin der „Vienna School of Coffee“, in der Baristas ausgebildet werden. Eine Gruppe vermisst in ihren Kursen allerdings sträflich: Die Mitarbeiter der Wiener Traditionskaffeehäuser.

Während „die Jungen“ auf extrem hohe Qualität achten würden, stünde in so manchem Traditionsbetrieb der Vollautomat. „Die Traditionshäuser glauben, dass sie das nicht nötig haben, weil sie ohnehin voll sind“, sagt Wechselberger. Das Verhältnis zwischen jungen Wilden und Traditionalisten sei von Ignoranz geprägt. „Die Jungen haben ’s aufgegeben, ihnen was zu erklären.“

 

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Ganz so dramatisch sieht es Wolfgang Binder, Chef des Café Frauenhuber in der Himmelpfortgasse und Obmann der Fachgruppe Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer, nicht: „Die Wiener Kaffeehäuser machen noch immer 40 Prozent ihres Umsatzes mit Kaffee. So schlecht kann er also nicht sein.“ Außerdem sei in den vergangenen zehn Jahren viel geschehen, viele hätten sich um Qualität und Maschinen bemüht. Auch Barista würden ausgebildet – bei der Firma Meinl etwa. „Einmal war es Starbucks, dann das Kaffeehaussterben, aber die Traditionshäuser sind immer noch da“, sagt Binder. „Totgesagte leben länger.“

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Wolfang Binder (im Bild mit Tochter Elisabeth) ist Obmann der Fachgruppe Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer

Profis am Werk

Aber was machen die neuen Kaffeekünstler eigentlich anders? „Beim ihnen hat eine unfassbare Professionalisierung stattgefunden, ähnlich wie beim Wein nach dem Auffliegen des Weinskandals 1986“, sagt Wechselberger. Sie kennen sich aus mit ihrem Kaffee: Sie wissen, wo er angebaut ist und von wem.

 

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Latte Art im Balthasar-Kaffee

Sie bezahlen etwa 20-mal mehr für ein Kilo Bohnen als die Industrie, um faire Produktionsbedingungen zu schaffen. Sie rösten selbst oder lassen nur ausgewählte Röster an die ausgewählten Bohnen heran (laut Wirtschaftskammer herrscht in Wien seit 2014 sogarein „regelrechter Boom“ bei der Gründung von Kaffeeröstereien). Und: Sie wissen, was angesagt ist.

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Voll im Trend: Filterkaffee, der vor Aromen nur so sprüht 

Aktuell ist das Filterkaffee. „Aber nicht der verbrannte, den wir von früher kennen“, sagt Otto Bayer und lässt seinen Barista vorführen, wie Filterkaffee heutzutage geht: Auf 21 Gramm Kaffee kommen genau 340 Gramm Wasser, kochen darf es nicht, 92 Grad reichen, sonst wird der Kaffee verbrannt – wie früher.

Gut gebrüht: Vienna Coffee Festival

Es gibt Menschen, die – bevor sie sich der nächsten alltäglichen Aufgabe widmen – auf jeden Fall eines machen: einen Kaffee trinken.  Für sie und alle anderen Kaffeeliebhaber  hält das nächste Wochenende (11. bis 13. Jänner) einen passenden Veranstaltungstermin parat: Das Vienna Coffee Festival in der Ottakringer Brauerei.

Zum fünften  Mal stellen nationale und internationale Betriebe aus: Röstereien, Coffeeshops, Maschinenhersteller, Barista-Trainer. Auch Stars der Barista-Szene sind zu Gast.
MeisterschaftenHeuer findet beim Festival auch die österreichische  Barista-Meisterschaft statt.

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Auch heuer findet beim Vienna Coffee Festival wieder ein Latte-Art-Wettbewerb statt

In fünf Disziplinen werden die Staatsmeister gekürt: Barista, Latte Art (Milchschäumen und Musterziehen), Brewers Cup (Filterkaffeemachen), Cup Tasting (aus einem Kaffee-Ensemble   müssen die Teilnehmer den herausfinden, der nicht passt)  Coffee in Good Spirits (Kaffee wird mit Spirituosen veredelt;  neben Irish Coffee müssen Barista auch einen Spezial-Drink selbst kreieren).

Info: Vienna Coffee Festival in der Ottakringer Brauerei (16., Ottakringer Platz  1), 11. bis 13. Jänner 2019, Freitag 14 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 20 Uhr,  Sonntag 10  bis 18 Uhr.

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*Update: Der Espresso-Preis der Coffee Pirates beträgt 2,20 Euro.

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