Könnte die geplante Naschmarkthalle das Stadtklima beeinflussen?

Linz hat eine, ebenso Innsbruck und auch Wien: eine Stadtklimaanalyse. Sie dient als Grundlage zur Stadtentwicklung und soll helfen, bei neuen Projekten Hitze zu verringern und Windströme zu nutzen. Was auffällt: Die vollumfängliche Studie haben nur Linz und Innsbruck veröffentlicht.
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Die Stadt Wien hat die Ergebnisse hingegen in Form einer interaktiven Storymap veröffentlicht. Was im Vergleich zu Linz und Innsbruck fehlt, sind Planungshinweiskarten und vollständige Projektberichte.

Der Masterplan für die Umgestaltung des Wiener Naschmarkts
Erstellt hat alle drei Analysen die Firma „Weatherpark“. Was die Unterschiede in den Veröffentlichungen angeht, verweist Simon Tschannett, Stadtklimatologe bei „Weatherpark“, auf KURIER-Anfrage auf die auftraggebende MA 18 (Stadtentwicklung).
Initiativen wollen Studie
Interesse an der ganzen Studie haben auch Bürgerinitiativen, wie „Baumschutz Hernals“ oder „Pro Wilhelminenberg“, die sich gegen Bauprojekte durch die Wienerwald-Frischluftschneise wehrt. Die Initiative „Freiraum Naschmarkt“ will den Bau einer Markthalle verhindern.
Zur Erinnerung: Nach heftigen Protesten legte Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) im Dezember 2022 einen neuen „Masterplan“ (siehe Grafik) vor.
Diesen Mai hätten die Ergebnisse eines EU-weiten Wettbewerbs präsentiert werden sollen. Die Präsentation wurde auf Frühherbst verschoben, die Pläne müssten nochmals vertieft werden.
Sima will ihre Markthalle bauen, denn wenn es keine Messungen gibt, kann auch schnell ein Stahlgerippe aufgestellt werden
Freiraum Naschmarkt
Klar ist, dass entlang des Wienflussbeckens eine Kaltluftschneise verläuft. Für das Klima in der Stadt ist sie essenziell.
Luft soll strömen
Genaue Messungen, an denen sich die Naschmarkt-Umgestaltung orientieren müsste, um die Kaltluft nicht zu bremsen, fehlen laut Monika Ferdiny, Sprecherin von „Freiraum Naschmarkt“.
„Sima will ihre Markthalle bauen, denn wenn es keine Messungen zu Kalt- und Frischluftströmen gibt, kann auch schnell ein Stahlgerippe aufgestellt oder ein Entrée als Kulinarik-Halle umfunktioniert werden.“
Die Markthalle: Ursprünglich sollte eine Halle gebaut und mit einer 4.800 Quadratmeter großen Glas-Stahl-Konstruktion überdacht und beschattet werden
Der Protest: Anrainer wehrten sich monatelang gegen die Markthalle. In einem offenen Brief schlossen sich auch Elfriede Jelinek oder Schauspielerinnen Adele Neuhauser dem Protest an
Der Kompromiss: Auf 12.000 Quadratmetern soll ein Park und eine Multifunktionsfläche entstehen. Auf dem Areal des Bauernmarktes ist eine Bebauung möglich
Was über den Kaltluftstrom bekannt ist, erklärt Stadtklimatologe Tschannett: „Die Kaltluft strömt vom Wienerwald ab und zu bis zum Ring. Das passiert aber relativ selten und spät nachts. Die Luft ist dann schon sehr dünn und bringt nur wenig Abkühlung.“ Zu sehen ist das auf der Kaltluftkarte der Wiener Stadtklimaanalyse, die jedoch eine Idealsituation darstelle.
Ein internes Instrument
Die Herausgabe der gesamten Studie laut Umweltinformationsgesetz fordert die Initiative „Baumschutz Hernals“, die sich für die Erhaltung des Postsportplatzes einsetzt. Um die gesamte Studie zu erhalten, ist man bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. Eine Verhandlung steht noch aus.
Die Stadtklimaanalyse ist ein internes Instrument, das der Stadt als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht
Stadtentwicklung und Stadtplanung
Die MA 18 erklärt auf KURIER–Anfrage: „Die Stadtklimaanalyse ist ein internes Instrument, das der Stadt als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht.“ Veröffentlicht wurden „zentrale Erkenntnisse in einer hohen und anschaulichen Qualität, die es auch fachfremden Interessierten ermöglicht, einen guten Überblick zu erhalten.“
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Zur Naschmarkt-Umgestaltung heißt es vom Wiener Gewässermanagement, dass eine Klimaresilienz-Untersuchung durchgeführt wurde und die Ergebnisse Grundlage für den Masterplan seien. Berücksichtigt werde, dass keine Barrieren für den Kaltluftstrom geschaffen werden. Aktuell unterziehe man die eingereichten Projektideen abermals einer Klimaresilienz-Bewertung.
Der zweitbeste Zeitpunkt
Ferdiny fordert, dass mehrwöchige Messungen dennoch in Auftrag gegeben werden: „Es soll am Naschmarkt nicht einfach irgendetwas für viel Geld gebaut werden, sondern das, was am sinnvollsten ist.“
Tschannett hält Messungen für sinnvoll: „Natürlich hätte man das schon viel früher machen können. Aber jetzt ist eben der zweitbeste Zeitpunkt.“ Das Wissen könne helfen zu entscheiden, welche Maßnahmen am besten funktionieren würden.
Dringt die Kaltluft in einem effektiven Ausmaß bis zum Naschmarkt, könnten großkronige Bäume die Kaltluft aufhalten. Reicht die Luft nicht so weit, wäre es sinnvoll, großzügiger zu beschatten.
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