Wiener Spitäler: Die schwere Last der Gastpatienten

Viele Chemotherapien könnten auch außerhalb von Spitälern durchgeführt werden.
Wien versorgt immer mehr Patienten aus anderen Bundesländern. Laut Stadt ist nun das Limit erreicht.

Die einen kommen von sich aus, weil sie in der Hauptstadt eine bessere Behandlung erwarten, die anderen werden von ihren Ärzten geschickt: Mittlerweile stammt jeder fünfte Patient in den Wiener Gemeindespitälern aus einem anderen Bundesland – allen voran aus NÖ oder dem Burgenland.

In einzelnen Fächern ist die Rate sogar noch wesentlich höher: In der Augenabteilung der Rudolfstiftung oder in der Neonatologie des Donauspitals würden mittlerweile bis zu 50 Prozent der Patienten Nichtwiener sein, schildert eine Sprecherin des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) dem KURIER.

Zwar bekommt Wien dafür Ausgleichszahlungen, dennoch sieht sich die Stadt mittlerweile an den Grenzen ihrer Kapazitäten angelangt. Besonders heikel ist die Situation im AKH. Die dortige Onkologie-Tagesklinik ist auf 65 bis 70 Patienten ausgelegt. Tatsächlich musste sie zuletzt mehr als 90 pro Tag versorgen, berichtet der ORF. „40 Prozent davon stammten nicht aus Wien“, sagt AKH-Direktor Herwig Wetzlinger. „Patienten werden von ihren Heimat-Bundesländern zu uns geschickt, weil diese die Kosten für die Behandlungen nicht tragen wollen.“ Meist gehe es dabei um sehr teure, moderne Therapien für seltenere Erkrankungsformen.

Reißleine

Im Jänner musste das AKH die Reißleine ziehen: „Wir haben 20 Patienten darauf hingewiesen, in welchen Spitälern in ihrem Heimat-Bundesland sie sich mit der gleichen Qualität behandeln lassen können. Sie sind diesem Vorschlag auch gefolgt, ansonsten wäre auf der Abteilung die Versorgung zusammengebrochen“, sagt Wetzlinger.

Wiener Spitäler: Die schwere Last der Gastpatienten

AKH-Direktor Wetzlinger

Damit konfrontiert, bestätigt die nö. Landeskliniken Holding, dass vermehrt Patienten aus NÖ in Wiens Spitälern abgelehnt werden. Diese hätten aber keinen Nachteil, da in Niederösterreich alle modernen Krebstherapien durchgeführt werden. Gleichzeitig wird betont, dass es in Österreich das Recht der freien Arztwahl gibt. Demnach würden Patienten oft freiwillig nach Wien pendeln oder deren behandelnde Ärzte Wiener Standorte empfehlen. Niederösterreichs Kliniken würden zudem auch Leistungen für Wiener Patienten übernehmen.

Schon vor Monaten hatte Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) angekündigt, die Versorgung von Gastpatienten in Wien genau zu durchleuchten. Zwar gebe es im Finanzausgleich eine Vereinbarung bezüglich Mehrleistungen, „aber in bestimmten Bereichen haben wir das Gefühl, dass wir weit über der Abmachung liegen“, so der Stadtrat im Jänner.

Angesichts der Situation am AKH fordert Hacker nun von der nächsten Regierung eine Neuordnung der Finanzierung des Gesundheitswesens. „Sie darf nicht an den Bundesländer-Grenzen halt machen, sondern muss gemeinsam gelöst werden.“

Hacker weiter: „Ich kann nicht verlangen, dass meine Mitarbeiter im Gesundheitssystem ständig am Limit arbeiten und die Wiener lange Wartezeiten auf ihre Behandlungen in Kauf nehmen müssen. Wir sind in Wien für Versorgungskapazitäten ausgelegt, die nicht mehr der Realität entsprechen.“

Statistik

Insgesamt wurden in Wiens Gemeindespitälern 2017 exakt  400.959 stationäre Patienten, 3,1 Millionen Ambulanzbesuche und 147.969 tagesklinische Aufenthalte mit Operationen (z. B. Grauer Star) gezählt. Derzeit gehören zum Krankenanstaltenverbund  neun Spitäler.   

Beispiel Strahlentherapie

Sehr hoch ist der Anteil derGastpatienten der Wiener Gemeindespitäler in der onkologischen Strahlentherapie: 25 bis 30 Prozent der Patienten stammen allein aus den Bundesländern Niederösterreich und Burgenland, rechnete unlängst die Stadt vor. Das liegt unter anderem an der besseren technischen Ausstattung der Wiener Spitäler: Dort gibt es doppelt so viele Linearbeschleuniger für die Tumor-Bestrahlung wie in Niederösterreich und dem Burgenland zusammen. Allein gemessen an der Einwohnerzahl müssten sie aber ungefähr genauso viele haben.

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