Wiener Polizist verspekulierte Kollegen-Gelder: 20 Monate bedingt

Symbolbild
Schuldspruch wegen Betrugs in 20 Fällen. Sollte Urteil rechtskräftig werden, wäre Amtsverlust die Folge.

Ein außergewöhnlicher Fall von gewerbsmäßigem schwerem Betrug ist am Freitag am Wiener Landesgericht verhandelt worden. Ein ehemaliger Fußballprofi und nunmehriger Polizist soll in Täuschungsabsicht die Ersparnisse etlicher Polizeikollegen herausgelockt und das Geld verzockt haben, indem er damit Währungsspekulation betrieb. 27 Geschädigte - in erster Linie Polizistinnen und Polizisten - waren von der Anklage umfasst, am Ende wurde der Beamte zu 20 Fakten verurteilt.

Ein Schöffensenat (Vorsitz: Philipp Schnabel) verhängte über den bisher Unbescholtenen 20 Monate Haft, die ihm zur Gänze bedingt nachgesehen wurden. Zudem muss er den Geschädigten die kassierten Beträge - zwischen 1.000 und 42.000 Euro - zurückzahlen, die dem Urteil zugrunde liegende Gesamtschadenssumme lag bei 129.000 Euro. In einem einzigen Anklagepunkt wurde der Mittdreißiger freigesprochen, in sechs Fällen wurde das Verfahren ausgeschieden, da die davon Betroffenen ihrer Zeugenladung nicht nachgekommen wären. Sollte die Staatsanwaltschaft diese Fakten weiterverfolgen, könnte sich die Strafe für den Polizeibeamten noch erhöhen.

Urteil nicht rechtskräftig

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Polizist erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Falls das Urteil in Rechtskraft erwächst, müsste sich der Polizist beruflich neu orientieren. Eine Verurteilung zu mehr als einjähriger Haft hat automatisch den Amtsverlust zur Folge, selbst wenn die Strafe zur Gänze bedingt ausgesprochen wurde.

Der Angeklagte, der sich "nicht schuldig" bekannt hatte, weist schon jetzt einen interessanten beruflichen Werdegang auf. Zunächst verdiente er als Fußballprofi sein Geld und schaffte es immerhin in die zweithöchste heimische Liga. Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere war er zunächst als Staubsauger-Vertreter tätig, ehe er bei der Polizei anheuerte. Und dort der Kollegenschaft mit seinem Interesse für das sogenannte Forex-Trading auffiel. Dabei werden zwei Währungen gegeneinander gehandelt, der Kauf der einen resultiert im gleichzeitigen Verkauf der anderen Währung. Diese Form der Spekulation gilt aufgrund der jähen Kursschwankungen als höchst riskant. Der Angeklagte habe seinen Kollegen dessen ungeachtet eine sichere und äußerst lukrative Anlageform mit satten Gewinnen in kürzester Zeit versprochen und sie dazu bewogen, ihm Geld zum Spekulieren zu überlassen, sagte der Staatsanwalt. Nicht zuletzt dank seines selbstsicheren Auftretens habe er zu überzeugen gewusst.

Fremdes Vermögen

Fest steht, dass von Ende April 2019 bis Februar 2021 mehrere 100.000 Euro an fremdem Vermögen verloren gingen, nachdem der Polizist bereits seine eigenen finanziellen Reserven und die seiner damaligen Partnerin in den Sand gesetzt hatte. Dabei hatte er sogar noch Kredite aufgenommen und sein Auto versetzt, um das verlorene Geld zurückzuholen. Weil diese Hoffnung nicht aufging, soll er sich am Ende gezielt im Kollegen-Kreis nach Investments umgesehen haben. Unter den Beamten, die ihre Ersparnisse rasch vermehren wollten, waren etliche Kollegen jener Dienststelle, an der der Angeklagte beschäftigt war. Ein Polizeischüler übergab ihm knapp 80.000 Euro, wobei rund die Hälfte von dessen Vater stammte. Eine Kollegin löste sogar das Sparkonto ihres Buben auf. Unter den Geschädigten fanden sich auch das Vertreter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), die der Mann bei einer Fortbildung kennengelernt hatte.

"Ich hab' gar nix versprochen. Ich hab' zu jedem gesagt, gebt's nur das Geld her, das euch nicht weh tut, wenn's weg ist", behauptete der Angeklagte in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er war nach Einbringen der Anklage vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Was seine Qualifikation als Währungsspekulant betrifft, habe er zwar "kein offizielles Zertifikat", sich aber seit 2018 eingehend mit Kryptowährungen und Forex beschäftigt: "Ich hab' viel Videos geschaut und zwei, drei Bücher daheim g'habt. Die hab' ich mehrfach durchgelesen."

"Ich bin ja nicht Jesus"

Zur Frage, wie das spekulative Tätigwerden für die Kollegenschaft zustande gekommen sei, meinte der Angeklagte: "Wir sind auf der Dienststelle z'sammg'sess'n und haben d'rüber geredet." Er sei auf niemanden zugegangen und habe "keine Leute aktiv angeworben". Auf die Frage, ob er im Fall eines Verlusts diesen mit seinem eigenen Kapital ausgeglichen hätte, erwiderte der Polizist: "Ich bin ja nicht Jesus."

Überhaupt machte sich der Beamte offenbar keinen Gedanken, nach welchem Schlüssel er bei erfolgreichen Geschäften den Gewinn ausgeschüttet hätte: "Das haben wir nicht aus'gmacht. Das hätte ich zum Schluss g'macht. Wir hätten uns z'samm'gsetzt und es und aufteilt."

"Totalverlust"

Ein "Totalverlust" sei immer im Bereich des Möglichen, das habe er immer klipp und klar gesagt, widersprach der Polizist der Anklage - und auch etlichen Kollegen, die im Anschluss als Zeugen aussagten. Was den Richter zur launigen Bemerkung verleitete: "Rund um Sie sind also lauter Polizeibeamte, die die Unwahrheit sagen."

erteidiger Johannes Maximilian Fouchs legte Wert auf die Feststellung, dass ursprünglich von einem Schaden von 400.000 Euro und fast 50 Opfern ausgegangen worden sei: "22 Fälle sind aber eingestellt worden, weil sich diese Leute nicht getäuscht gefühlt haben." Überhaupt habe sein Mandant sich nicht unrechtmäßig bereichert, von den Kollegen-Geldern sei kein einziger Cent in dessen Tasche, sondern auf das Handelskonto geflossen. "Das muss man sich dann schon fragen, was sind das für Leute, die ihm geglaubt haben, dass man 5.000 Euro in einem Jahr zu 20.000 Euro machen kann. Das waren junge, aktiv im Dienst stehende Polizeibeamte, die eine durchaus anspruchsvolle Ausbildung hinter sich haben und die jeden Tag für unsere Sicherheit verantwortlich sind", bemerkte Fouchs.

Geld verspielt

Der Verteidiger wies auch noch drauf hin, dass der Angeklagte auf Schulden in Höhe von 140.000 Euro sitze und nichts besitze außer einer Mietwohnung in Simmering und einem zehn Jahre alten Auto: "Das Geld ist ausnahmslos verspielt worden", bedauerte Fouchs. Und merkte abschließend an: "Aber nicht alles, was nicht schön ist, ist strafbar."

Die Zeugen, die vom Gericht vernommen wurden, dürften auf ihren Kollegen nicht besonders gut zu sprechen sein. "Ich habe gedacht, er hat mehr Talent als ich. Beim Traden halt. Ein Irrtum, ein Wahnsinn", sagte ein junger Beamter. Ein anderer erwähnte, der Angeklagte habe betont, die Software, die er beim Online-Traden verwende, "generiert das Risiko. Ein Verlust ist ausgeschlossen". Dieses Versprechen sei für ihn ausschlaggebend gewesen, ihm 5.000 Euro zu geben: "Ich hab' ja nicht Millionen auf der Seite gehabt. Ich bau a Haus, Herr Rat." Ein dritter Polizist hoffte, aus seinen investierten 3.000 Euro würden 20.000 Euro werden: "Ich bin davon ausgegangen, dass er weiß, was er damit macht. Er hat gesagt, das ist eine sehr sichere Sache." Darauf habe er sich verlassen: "Er ist ja Polizist."

Leichtgläubigkeit

Der Staatsanwalt räumte in seinem Schlussplädoyer ein, den Geschädigten sei "eine gewisse Leichtgläubigkeit" nicht abzusprechen. Die meisten von ihnen hätten sich aber "mit Finanzderivaten nicht ausgekannt", der Angeklagte habe das für seine Täuschungszwecke ausgenutzt.

"Sie sind sehr gut darin, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen", stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest. Und weiter: "Sie sind wortmächtig, das hat Ihnen schon als Staubsaugervertreter geholfen". Der Polizeibeamte habe den Kollegen gegenüber das Risiko "heruntergespielt", verwies der Richter auf die Zeugenaussagen: "Das müsste schon wirklich ein Komplott von Kollegen aus mehreren Bezirken sein, dass die alle gegen Sie aussagen."

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