"Grüne haben nicht viel Luft zum Atmen"

"Grüne haben nicht viel Luft zum Atmen"
Wiens Neos-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger über Wahlen, Politik und Fußgängerzonen

Beate Meinl-Reisinger sitzt entspannt in der „Neosphäre“, der Parteizentrale im 7. Bezirk. In der Ecke spielen einige Männer Mitte 30 in Jeans und Hemd Tischfußball. Hier trifft der KURIER die 35-jährige studierte Juristin zum Gespräch.

KURIER: Frau Meinl-Reisinger, Sie sind nun knapp ein Monat im Parlament. Ist die Arbeit nach der Wahl weniger geworden?

Beate Meinl-Reisinger: Ganz im Gegenteil. Der einzige Unterschied ist, dass ich nicht mehr von früh bis spät auf der Straße stehe und Leute anspreche. Aber ich möchte immer noch überall Flyer liegen lassen.

Im Herbst 2015 wird in Wien gewählt. Haben Sie schon Pläne?

Wir haben am Freitag eine erste Landesgruppenversammlung. Gemeinsam mit den Kollegen der Neos, Mitgliedern des Liberalen Forums und auch Neos-Freunden werden wir weitere Schritte besprechen.

Wie sollen auch Nicht-Parteimitglieder bei den Neos zu Wort kommen?

Prinzipiell kann jeder bei uns mitmachen. Es wird im Frühjahr 2014 vier Bürgerforen mit den Schwerpunkten „Leben in der Stadt“, „Gesellschaftliche Verantwortung“, „Stadt der Zukunft“ sowie „Arbeit und Unternehmertum“ geben. Zu denen ist jeder herzlich eingeladen.

Bei den Nationalratswahlen holten die Neos in Wien in einigen Bezirken mehr als zehn Prozent. Wie beurteilen Sie die Chancen für die Wien-Wahl?

Ich bin eher vorsichtig. Es heißt nicht automatisch, dass wir zweistellig in den Gemeinderat einziehen.

Sie waren vor allem in den Bezirken innerhalb des Gürtels stark. Wird das auch bei der Gemeinderatswahl so sein?

Wir haben uns aus Ressourcengründen um die kleinen Gebiete gekümmert. Aber ich sehe gerade die großflächigen Bezirke als Hoffnungsgebiete.

Weshalb glauben Sie das?

Die Gespräche, die wir im Zuge der Nationalratswahlen am Viktor-Adler-Markt hatten, waren vielversprechend. Die Leute wirkten interessiert – die FPÖ weniger. Die hat versucht, uns zu vertreiben. Anscheinend glauben sie, dort ein Recht gepachtet zu haben.

Wenn Sie 2015 in die Regierung kommen: Was wäre Ihre erste Amtshandlung?

Angesichts der aktuellen Budget-Debatte ist ein Kassasturz mehr als überfällig. Es ist wichtig, einmal aufzuzeigen, wie viel Geld da ist, und wo es hinfließt.

Ein Thema, das die Stadtregierung schon lange beschäftigt, ist die Mariahilfer Straße. Ist das Projekt noch zu retten?

Das scheint ein endloses Wurschtln zu sein. Die Grünen haben eine Partizipation der Bürger versprochen. Aber in diesem Fall sind die Bürger falsch hereingeholt werden.

Inwiefern?

Die Beteiligung der Bürger wurde nur Alibi-halber gemacht. Im Endeffekt stand aber schon im Vorhinein fest, wie das Ergebnis aussehen soll. Und dass die angekündigte Befragung im Frühjahr zu einem kompletten Rückbau führen könnte, wage ich zu bezweifeln.

Wie würden Sie das Thema angehen?

Man muss die Bürger früher und ehrlicher einbeziehen. Wir wollen in der Akademie genau solche Stadtentwicklungsprojekte laborartig durchspielen. Man muss ganzheitlich denken. So hätte vielleicht auch das Chaos um den 13A verhindert werden können.

Das ist harsche Kritik an den Grünen.

Die Grünen haben in Wien nicht viel Luft zum Atmen, weil sie anders handeln, als sie es versprochen haben.

KURIER: Herr Haselsteiner, die Neos entsenden Sie als Stiftungsrat in den ORF. Im Moment hat man das Gefühl, die Regierung will den ORF wieder nach dem Proporz-System aufteilen. Wie wollen Sie das stoppen?
Hans Peter Haselsteiner:
Wir werden laut schreien. Unser Vorschlag, den ORF ähnlich wie eine Aktiengesellschaft zu führen, soll es der Regierung möglichst schwer machen, ihre finsteren Pläne zu verfolgen. Unsere Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen, was die Regierungsparteien predigen und was sie tatsächlich trinken. Alle reden über einen unabhängigen Rundfunk, machen aber genau das Gegenteil. Unser Papier wird für sie noch ein „Pain in the Ass“ sein.

Die Grünen wollen nun ein Oligarchen-Gesetz einführen. Auch Sie haben das Liberale Forum mit 450.000 Euro unterstützt. Wie sehen Sie diesen Vorschlag?
Ich glaube nicht, dass sie damit durchkommen. Außerdem, was ist in Österreich ein Oligarch?

Das Wort Oligarch dient als Symbolausdruck, für einen Wohlhabenden, der sich à la Frank Stronach eine Partei kauft ...
So ein Gesetz wäre eine Bevormundung erster Ordnung und würde bedeuten, dass die Grünen den Wähler nicht für mündig genug halten, das zu bewerten. Das ist typisch Grün. Denn die Frau Glawischnig weiß ja nicht nur, was wir wählen sollen, sondern sie weiß auch, was wir essen sollen, wie wir uns bewegen sollen. Sie weiß einfach alles. Wenn jemand kommt und sagt, ich kaufe mir eine Partei und sie bekommt 5,7 Prozent der Stimmen, dann sage ich: Sollen sie die 5,7 Prozent bekommen, das muss eine Demokratie aushalten.

Niederösterreichs LH Erwin Pröll äußerte im KURIER-Interview – ohne Sie namentlich zu nennen – seine Skepsis, wenn „sich Parteien im Wahlkampf profilieren, mit Milliardären im Hintergrund, die versuchen mit Geld Demokratie zu gestalten. ... Sehr oft merkt man, dass Menschen mit sehr viel Geld ein Defizit an sozialer Kompetenz haben.“
Es wundert nicht, dass ein Politiker wie Erwin Pröll, der es gewohnt ist, die Millionen der Steuerzahler auszugeben, Bedenken hat, dass ihm Konkurrenz erwachsen könnte. Darüber hinaus ist es natürlich ein Zeichen großer Arroganz, anderen Menschen a priori die soziale Kompetenz abzusprechen.

Wohin soll das Projekt Neos gehen? Werden die Neos in naher Zukunft auch zweistellige Wahlergebnisse erreichen können?
Ich glaube, die Neos haben jetzt eine gute Basis. Bei den Wien-Wahlen halte ich es für wahrscheinlich, dass man die zehn Prozent schafft. Denn von siebeneinhalb auf zehn Prozent ist es nicht mehr so ein großer Sprung. Und man darf nicht vergessen, bei den Nationalratswahlen waren die Neos weitgehend unbekannt. Das hat sich jetzt grundlegend geändert. Deswegen bin ich optimistisch, dass die Neos die zehn Prozent bei der Wien-Wahl knacken können.

Sie haben sich im Wahlkampf als Minister und als Mediator für die neue Regierung angetragen. Gab es in den letzten Wochen diesbezüglich zumindest unverbindliche Gespräche?
Nein, es gab keinen Kontakt und es war schon am Wahlabend klar, dass unser zweites Wahlziel, die Mehrheit der Regierung so auszudünnen, dass Rot-Schwarz eine dritte Partei an Bord nehmen muss, nicht erreicht wurde. Aber die ÖVP hat besser abgeschnitten, als ich gerechnet habe. Hätte die Koalition nur eine Mehrheit von ein oder zwei Mandaten gehabt, wäre es eng geworden. Aber das hat es nicht gespielt. Wir sind nicht einmal in die Nähe von unserem Wahlziel gekommen. Ich dachte immer, wenn wir Pech haben, dann haben sie eine Mehrheit von drei Mandaten, aber die Koalition hat sieben Mandate Vorsprung.

"Grüne haben nicht viel Luft zum Atmen"
Pressekonferenz , Interview Neos mit Hans Peter Haselsteiner

Also glauben Sie nicht, dass es einen neuen Stil geben?
Ich würde es mir und dem Land wünschen, aber allein mir fehlt der Glaube. Dieser Vorsatz ist ein Klassiker. Ich sehe nur wenig Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Stil eintritt und noch viel weniger Wahrscheinlichkeit, dass er nachhaltig ist. Vielleicht hält der Vorsatz bis nächstes Jahr, aber niemals fünf Jahre. Jetzt kommen maßgebliche Wahlen. Es wird davon abhängen, wie Bürgermeister Häupl und die ÖVP in Wien abschneiden. Da kommen Ergebnisse auf uns zu, die diese Harmonie nicht fördern werden.

Wie stehen Sie zum Vorschlag der SPÖ, eine Vermögenssteuer einzuführen?
Ich stehe hinter dem Programm der Neos und da gibt es keine Vermögenssteuer und meine Privatmeinung ist in diesem Punkt nicht gefragt.

In früheren Interviews haben Sie stets betont, dass Menschen die sehr gut verdienen, auch hohe Steuersätze zahlen können ...
Ich habe einen Grundsatz geäußert, dass unvernünftig hohe Einkommen auch unvernünftig hohe Steuersätze rechtfertigen. Was die Debatte auf die Frage reduziert: Was ist unvernünftig hoch? Bei den Steuersätzen ist es klar – das ist bis 100 Prozent. Aber die Frage ist: Ab wann ist ein Einkommen unvernünftig hoch? Aber diese Diskussion führe ich jetzt nicht mehr, weil ich mich an das Programm der Neos gebunden fühle.

Das Liberale Forum und die Neos sind im Moment noch zwei Parteien. Sind Sie für eine Fusion oder für getrennte Wege?
Ich glaube, es gibt für beide Modelle Argumente. Die eine Variante wäre: „Getrennt marschieren, vereint schlagen“. Oder: „Alle Kräfte bündeln.“ Ich sehe im Moment leichte Vorteile für eine Partei, weil es organisatorisch einfacher ist.

Ein großes Anliegen ist das Thema Bildung der Neos. In welche Schule geht Ihr schulpflichtiger Sohn?
Mein Sohn geht ins Theresianum.

Eine Privatschule ...
Das Theresianum ist eine Eliteschule und kostet einen Haufen Geld. Da waren schon seine Brüder und ich habe dagegen nicht opponiert. Aber man kann darüber streiten, ob das die ideale Schule für einen modernen Menschen ist oder ob es in einer anderen Schule nicht besser wäre.

Sind Sie nach Ihrem Rückzug aus der Strabag wirklich nur Pensionist und in Zukunft ORF-Stiftungsrat? Nein. Ich bin nach wie vor Generalbevollmächtigter bei der Strabag, habe dort noch mein Büro, meine ganze Infrastruktur und arbeite auch noch zwischen zwei und zehn Stunden am Tag.

Was trauen Sie Neos-Chef Matthias Strolz als Politiker zu?
Matthias Strolz hat alle Chancen, sich als charismatischer Politiker zu etablieren. Er wäre der perfekte Bildungsminister. Strolz hat allerdings mit dem Aufbau der Partei noch genug zu tun; das ist eine Herausforderung, wenn man Fehler vermeiden will.

Die neuen Neos im Nationalrat

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