Wiener Bildungsgrätzel machen Schule

Volksschullehrerin Elisabeth Hahn (li.) unterstützt ihre NMS-Kollegin freiwillig beim Unterricht der 6A.
Die Stadt Wien forciert Kooperationen von Lehreinrichtungen mit Kindergärten und lokalen Vereinen. Ein Lokalaugenschein.

„It takes a Grätzel to raise a child“ (Es braucht ein Grätzel, um ein Kind aufzuziehen; Anm.), formuliert Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) gern polyglott, wenn es um ein System geht, das die Stadt Wien zurzeit forciert: Die Bildungsgrätzel.

Die Idee dahinter ist so simpel, wie effizient. Um die Kinder bestmöglich zu unterstützen und ihnen so viele Angebote wie möglich zu machen, kooperieren sämtliche Lerneinrichtungen in der näheren Umgebung. Aber auch Kindergärten, Vereine, Einrichtungen, wie Volkshochschulen, Büchereien oder Jugendtreffs, werden einbezogen. Je nachdem, was es im Grätzel halt so gibt.

Vier solcher Bildungsgrätzel wurden bereits eröffnet, acht weitere entstehen gerade. Erst dieser Tage kam jenes in der Brigittenauer Spielmanngasse dazu, wo ein gemeinsames pädagogisches Profil für die gesamte Schullaufbahn von sechs bis 14 Jahren an einem Standort entwickelt wird, wie Czernohorszky erklärt. Hier wurden zwei Volksschulen – eine Ganztags- sowie eine Halbtagsvolksschule – erweitert und um eine Neue Mittelschule (NMS) ergänzt.

Nahtstellen

„Das Besondere an einem Bildungsgrätzel sind die Nahtstellen und die außerschulischen Angebote“, erklären die Schulleiter von Halbtags- und Ganztagsvolksschule, Erika Feldkirchner und Christian Schweitzer – die auch für die neuen NMS-Klassen verantwortlich sind. Ein Kind, das im Grätzel also gerade in den Kindergarten geht, lernt schon einmal die Volksschule kennen, weil es öfter zum Malen hingeht. Oder weil die Volksschüler den noch Kleineren vorlesen. Zudem vernetzen sich Lehrer und Kindergartenpädagogen, tauschen sich über Lehrmethoden und (mit Erlaubnis der Eltern) die Bedürfnisse der Kinder aus.

Wiener Bildungsgrätzel machen Schule

Die Schulleiter Christian Schweitzer und Erika Feldkirchner kooperieren.

Ähnlich läuft es beim Übergang von Volksschule auf NMS: Im geplanten „Buddy“-(Kumpel)-System“ werden sich Schüler der fünften Schulstufe um jene aus der vierten kümmern, stellt Schweitzer in Aussicht. Sie üben gemeinsam Deutsch oder auch Mathematik. Wobei die Lehrer jene Kinder nominieren, die besonders gut erklären können bzw. jene, die Hilfe brauchen könnten.

Das Personal tauscht bei Bedarf auch hier Erfahrungen mit Schülern aus, erörtert individuelle Stärken und Schwächen. „So können sich die Pädagogen auf die Kinder einstellen und sie bestmöglich auffangen“, erklärt Feldkirchner.

Deutschförderung

Davon abgesehen können NMS-Lehrer in der Volksschule unterstützend tätig werden und umgekehrt. Auf freiwilliger Basis, wie die beiden Schulleiter betonen. Beim KURIER-Lokalaugenschein gibt Volksschullehrerin Elisabeth Hahn etwa gerade zwei Jugendlichen der 6A Deutschförderunterricht, während eine NMS-Kollegin die restliche Klasse unterrichtet.

Und auch beim Übergang von der NMS in eine Berufsausbildung oder eine weiterführende Schule wird Kooperation gelebt. Zudem bietet man den Schülern außerschulische Aktivitäten an. Weil der Sportplatz des Vienna FC und eine Singschule in der Nähe liegen, hat das Bildungsgrätzel die Schwerpunkte Sport und Musik.

Da in der Brigittenau mehr als 80 Prozent der Schüler nicht Deutsch als Umgangssprache sprechen, erfüllt das Bildungsgrätzel einen weiteren Zweck, sind die Schulleiter überzeugt: Die Kinder „befruchten“ einander gegenseitig. „Wenn etwa Größere, die bereits gut Deutsch können, Kleinere beim Lernen unterstützen“, sagt Schweitzer. Bildungsgrätzel seien zwar keine unmittelbare Reaktion auf sogenannte Brennpunktschulen – „sie können aber hilfreich sein“.

Bald gibt es zwölf Bildungsgrätzel

Wien-weit gibt es bereits vier Bildungsgrätzel: Das „BG Schönbrunn“ in Rudolfsheim-Fünfhaus, das „LeoMitte“ in der Leopoldstadt, das „Ebner-Inklusiv-Eschenbach“ in Währing sowie das dieser Tage eröffnete „Spielmanngasse“ in der Brigittenau.

In Vorbereitung sind acht weitere: Am Sachsenplatz in der Brigittenau, im Bereich Reinprechtsdorfer Straße in Margareten, in der Josefstädter Pfeilgasse, in der Hietzinger Steinlechnergasse, im Stuwerviertel zwei in der Leopoldstadt, in Alt Erlaa in Liesing sowie in der Donaustadt in der Eibengasse sowie am Kaisermühlendamm. Letzteres wird bereits kommende Woche offiziell eröffnet. Am 10. Oktober – am Tag der Wiener Schulen – ist es so weit.

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