Aber: Das entspricht gegenüber der Gemeinderatswahl 2015 einem Plus von immerhin 2,3 Prozentpunkten. Die Grünen konnten also trotz der türkis-grünen Koalition im Bund (die besonders in der Wiener Basis kritisch gesehen wird) zulegen.
„Wir freuen uns über die Zugewinne. Das Ergebnis ist ein klarer Auftrag für Rot-Grün, weiterzumachen“, sagt Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin Birgit Hebein im Gespräch mit dem KURIER. Beide Parteien hätten dazugewonnen. Dass das den Grünen als Juniorpartner gelungen sei, ist für Hebein „bemerkenswert“. Nun liege der Ball bei Michael Ludwig.
„Rot-Grün fortsetzen“ – das war auch die Botschaft, die andere Spitzenfunktionäre abspulten, sobald die erste Prognose verlesen war. „Wien will Rot-Grün“, stellte etwa Planungssprecher Peter Kraus fest. Und Klubchef David Ellensohn sagte: „Der Bürgermeister wird machen, was gut ist für Wien“.
Ob Hebein nicht nur ein Plus, sondern gar das historisch beste grüne Ergebnis bei einer Gemeinderatswahl eingefahren hat, das wird sich am Dienstag zeigen. Ihr Wahlziel war es zumindest: Zu toppen galt es die 14,6 Prozent ihrer Vorgängerin Maria Vassilakou bei der Wahl 2005.
Interne Querelen
Hebein hat seit September 2018 auf dieses Resultat hingearbeitet (damals bewarb sie sich für die parteiinterne Wahl zur Spitzenkandidatin) – und zwar unter schwierigen Bedingungen. Diese haben zwei Wurzeln.
Erstens, Maria Vassilakou: Sie hinterließ Hebein eine Koalition, die vor allem wegen ihrer Macher – Vassilakou und Michael Häupl – gut funktioniert hatte. Nach der Wachablöse waren Hebein und Bürgermeister Michael Ludwig in einer arrangierten Ehe gefangen. Je näher die Wien-Wahl rückte, desto deutlicher wurde, was das bedeutet: Die SPÖ richtete der neuen Parteichefin gar aus, zwar Rot-Grün III zu wollen. Aber „lieber ohne Hebein“.
Davon abgesehen vererbte ihr Vassilakou eine zerstrittene Partei: Dass sie ihren Rückzug hinauszögerte, hatte die Grabenkämpfe zwischen Fundis und Realos befeuert (angeheizt vom grünen Fiasko bei der Nationalratswahl 2017 und dem schwelenden Heumarkt-Konflikt).
Zu kämpfen hatte Hebein aber nicht nur wegen ihres Erbes. Sondern – und das ist die zweite Ursache für die komplizierte Ausgangslage – auch wegen sich selbst.
Aufreger Projekte wie Pop-Up-Radwege
Hebein gewann zwar die interne Spitzenwahl. Aber: Sie war eine Kompromisskandidatin. Und sie hatte ein Problem: mangelnde Bekanntheit. Das änderte sich spätestens Ende 2019, als Hebein die türkis-grüne Bundesregierung mitverhandelte. Und sie konnte sich weiter im Gespräch halten: mit Aufreger-Projekten wie Pop-up-Radwegen.
Die Krönung von all dem sollte die „autofreie“ City sein. Tatsächlich wurde das Vorhaben die größte Niederlage der 53-Jährigen. Nur eineinhalb Wochen vor der Wahl legte Ludwig ein Veto gegen das grüne Prestigeprojekt ein.
Und dennoch: All der Wirbel zahlte auf Hebeins Prominenz ein. Sie ist, wie Umfragen zeigen, äußert bekannt. Aber in der breiten Masse auch hoch umstritten. Ganz anders sieht es bei den Kernwählern aus: Sie goutieren Hebein und ihren Kurs.
Diese Konstellation spiegelt sich letztlich auch im aktuellen Wahl-Ergebnis wieder: Ein so fetter Zuwachs wie zuletzt bei der Nationalratswahl war dann doch nicht drinnen. Immerhin können die Grünen – sofern sie wieder in die Stadtregierung kommen – über eine zweiten Stadtratsposten jubeln.
Verhaltene Zuwächse
Wer den Job bekommen könnte, ist offen. Für die Verteilung von Ämtern sei es noch zu früh, sagte Hebein am Sonntag. Genauso wie für das Nennen der roten Linien für eine Koalition mit der SPÖ.
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