Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp nimmt sich selten ein Blatt vor den Mund. Der KURIER hat ihn auf Eismarillenknödel im Eissalon Tichy in Favoriten getroffen – auch die Gespräche mit den anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien finden dort statt.
Wir sind mitten in Favoriten, Fühlen Sie sich hier wohl?
Dominik Nepp: Die Frage ist nicht, ob ich mich wohlfühle, das Wichtigste ist, ob sich die Wienerinnen und Wienern wohlfühlen und wenn man mit den Leuten auf der Straße spricht, dann fühlen sie sich eben nicht mehr sicher, weil sich hier enorm viel verändert hat.
Hält man die Bevölkerung nicht davon ab, zu Schmuckstücken wie diesem hier zu gehen, weil sie Angst haben? Ist dieses Klima der Angst gerechtfertigt?
Das Verbreiten nicht wir, das ist das subjektive Gefühl der Bevölkerung. Es ist nicht etwas, das wir uns einfallen lassen oder was sich die Bevölkerung einfallen lässt, sondern Zahlen, Daten, Fakten bestätigen das.
Die Themengleichheit im Wahlkampf ist auffallend. Alle Parteien sprechen über Sicherheit, Bildung, Gesundheit. Gibt es eigentlich noch Unterschiede zwischen den Parteien?
Die Herangehensweise ist bei allen Parteien unterschiedlich. Wir sagen zum Beispiel, im Bereich Bildung ist es notwendig, im Alter von drei Jahren eine Sprachstandsfeststellung bei Kindern zu machen. Das heißt, es wird geschaut, ob sie die einfachsten Begriffe altersgerecht verstehen. Wenn das ein dreijähriges Kind nicht kann, dann liegt es am Elternhaus. Und dann müssen die Eltern gemeinsam mit den Kindern in verpflichtende Deutschkurse gehen. Und es muss Konsequenzen bei Integrationsverweigerung geben – wie gestrichene Sozialleistungen.
Das sagen andere Parteien auch schon, da ist die Herangehensweise nicht ganz so unterschiedlich.
Keiner hat dann aber die Konsequenz, das auch durchzuziehen und zu sagen, bei Integrationsverweigerung gibt es keine Sozialleistungen mehr. Der Herr Mahrer, der hat überhaupt ein komplett anderes System, der möchte die Kinder dann drei Jahre verpflichtend in den Kindergarten stecken, wo wir jetzt schon wissen, dass die Elementarpädagogen und -pädagoginnen maßlos überfordert sind und eine Entlastung brauchen und nicht noch mehr Kinder, die überhaupt kein Deutsch mehr können. Und die Neos und die Grünen wollen einen Sommerkurs haben, der allerdings nicht verpflichtend ist. Und so wird das leider nicht funktionieren.
Laut OGM-Umfrage des KURIER haben Sie sehr hohe Bekanntheitswerte. Nur sieben Prozent der Wählerinnen und Wähler kennen Sie nicht. Aber 71 Prozent haben keine gute Meinung von Ihnen. Erschreckt Sie dieser Wert?
Nein, eigentlich gar nicht. Normalerweise haben Oppositionspolitiker, die eine harte Kante zeigen, einen noch höheren Wert. Dementsprechend ist das positiv und der Zuspruch der Bevölkerung ist enorm.
Die FPÖ wird aller Voraussicht nach viel zulegen, wird aber trotzdem noch weit hinter dem besten Ergebnis unter Heinz-Christian Strache bleiben. Woran liegt das?
Damals ist das auch Schritt für Schritt passiert. Das waren ja drei Wahlen, 2005, 2010, 2015, und jetzt haben wir die erste reguläre Wahl und stehen bei Umfragen schon bei 21 Prozent. Und wer weiß, wie viel Vertrauen wir noch dazugewinnen, weil viele einen Bürgermeister Ludwig für dieses unfaire Mindestsicherungssystem einen Denkzettel verpassen wollen.
Sollte die SPÖ, wie erwartet, Erster werden, werden Sie jedenfalls nicht mitregieren.
Warten wir einmal ab, wie es ausgeht. Wenn Bürgermeister Ludwig wirklich das schlechteste Ergebnis der Wiener SPÖ in der Zweiten Republik einfährt, dann werden auch dort Köpfe rollen. Dann kann es sein, dass Ludwig seine Politpension im Roten Kleingartenverein verbringt und dass konstruktive Kräfte in der Sozialdemokratie kommen – und die gibt es.
In den vergangenen Wochen schien es, als würden Sie sich der türkischen Community mehr annähern. Es soll Interviewrunden mit türkischen Vertretern gegeben haben. Leo Lugner war beim Fastenbrechen des Moscheevereins Atib. Befürchten Sie, Ihr Stammklientel zu verärgern?
Unsere Position hat sich nicht verändert. Wir sagen immer, Staat und Politik gehören getrennt von Religion. Ich möchte keine Einmischung in die eine oder andere Richtung. Was wir sehen, ist, dass es zu einer Annäherung gekommen ist. Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder dem Ostblock unterstützen uns, weil sie sagen, dass sie auch etwas leisten mussten, um hier Staatsbürger zu werden. SPÖ-Chef Ludwig will, dass die Staatsbürgerschaft verteilt wird wie ein Ramschartikel. Das sehen Zuwanderer, die durch Leistung Staatsbürger geworden sind, ebenfalls kritisch.
Wobei der Vorschlag vom Bürgermeister war, dass die Staatsbürgerschaft für jene erleichtert wird, die hier viel leisten, gerade Pflegekräfte. Dem stehen Sie auch kritisch gegenüber?
Wer hier seinen Beitrag leistet, der kann selbstverständlich Staatsbürger werden.
Was halten Sie von Sparmaßnahmen wie etwa der Abschaffung von nicht amtsführenden Stadträten, wie Sie einer sind?
Das ist eine Frage der Kontrolle. Und es gibt viele Akte, wo dann die Oppositionsparteien keinen Einblick mehr haben. Das hieße dann weniger Rechte für die Opposition. Ich sage, als nicht amtsführender Stadtrat habe ich das größte Ressort über, wo es darum geht, die Skandale der SPÖ aufzudecken.
KURIER-Serie: Interviews mit den Spitzenkandidaten im Eissalon Tichy: Dominik Nepp (FPÖ) im Gespräch mit Chronik-Ressortleiterin Agnes Preusser.
Fast alle Parteien im Gemeinderat sind für eine verkehrsberuhigte Innenstadt. Sie nicht. Warum?
Ich habe auch einen unternehmerischen Hintergrund und wir haben ein Familienunternehmen, unter anderem auch eine Filiale im 1. Bezirk. Ich bin dort aufgewachsen, kenne mich dort aus und viele sprechen mich darauf an, dass es ein Todesstoß für den Bezirk wäre. Es steckt ein anderer Plan dahinter: In Wirklichkeit ist es nur der erste Schritt für eine City-Maut.
Es gibt auch ganz andere Stimmen von Unternehmern, angefangen beim Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck.
Wenn man sich die Wahlbeteiligung bei der Wirtschaftskammerwahl ansieht, dann ist erschütternd, dass so viele Unternehmer auf diese Wirtschaftskammer pfeifen, weil sie sich einfach nicht mehr vertreten fühlen. Und dass Herr Ruck mit dem Herrn Ludwig immer Hand in Hand geht, das sind ja politische Zwillinge, das wissen wir eh schon lang.
Seit der Corona-Krise haben wir immer noch mit gesellschaftlichen Auswirkungen und einer gewissen Spaltung zu kämpfen. Hinterfragen Sie manchmal die Rolle der FPÖ in dieser Zeit?
Ich hinterfrage eher die Rolle von Bürgermeister Ludwig, denn er hat den längsten Lockdown in Wien verhängt. Es ist mein Versprechen, dass wir einen Corona-Untersuchungsausschuss auf Wiener Landesebene machen, wenn wir es schaffen, 25 Mandate zu erringen, weil es sind viele Hunderte Millionen rausgeschossen worden, etwa für sinnlose Tests.
Viele Parteien haben die Wien-Liebe in den Fokus gestellt. Darum zum Abschluss auch an Sie die Frage: Was lieben Sie in Wien am meisten?
Die liebenswerten Menschen in Wien.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp(Jahrgang 1982) ist seit 2018 nichts-amtsführender Stadtrat von Wien. Obwohl die Blauen nicht der Wiener Stadtregierung angehörten, war er von 2018 bis 2020 Vizebürgermeister von Wien – begründet liegt das im Proporzsystem. Nepp startete als Bezirksrat in Döbling, wo er auch aufgewachsen ist. Landesparteiobmann wurde er nach der Ibiza-Affäre und dem Fall von Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache. Nepp gehört der schlagenden Akademischen Burschenschaft Aldania Wien an.
FPÖ steht für Freiheitliche Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1955 in Wien als Nachfolgepartei des Verbands der Unabhängigen (VdU), in dem sich damals auch viele ehemaligen Nationalsozialisten befanden. Die Parteifarbe ist Blau. Die FPÖ ist heute eine rechtspopulistische und EU-skeptische Partei, die seit Jahrzehnten die Migration nach Österreich bekämpft. Die Wiener FPÖ war in der Bundeshauptstadt bisher noch nicht in Regierungsverantwortung, Parteichef ist derzeit Dominik Nepp.
Der SPÖ-Politiker Michael Ludwig (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Wiener Bürgermeister. Aufgewachsen ist Ludwig in einem Gemeindebau in Floridsdorf. Der 21. Bezirk hat seine politische Laufbahn geprägt: Der studierte Historiker startete dort 1994 als Bezirksrat. Später war er Wohnbaustadtrat unter seinem Vorgänger Michael Häupl. Ludwig gilt als scharfer Kritiker des Rechtskurses der FPÖ, insbesondere deren Bundeschef Herbert Kickl. In seiner ersten Regierungszeit koalierte er mit den Wiener Neos.
SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot.
In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.
Die Wirtschaftskammer Wien ist die gesetzliche Standesvertretung der Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft zur Wahrnehmung ihrer Interessen und zur Mitwirkung an der einschlägigen Gesetzgebung in Wien. Die Kammer gliedert sich in die sieben Sparten: Gewerbe und Handwerk, Industrie, Handel, Bank und Versicherung, Transport und Verkehr, Tourismus und Freizeitwirtschaft und Information und Consulting.
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