Wien-Umfrage: Warum die Grünen so viele Wähler verloren haben
Der Wahlslogan der Grünen "Wähl Verantwortung" ist auf dem Plakat am Urban-Loritz-Platz in Wien-Neubau nicht mehr gut zu lesen, das Papier ist eingerissen. Spaziert man Richtung Westbahnhof auf die Mariahilfer Straße, sind kaum mehr Wahlwerbungen der Partei zu sehen.
Ein Sinnbild für das Abschneiden der Grünen bei der Nationalratswahl am Sonntag in der Bundeshauptstadt?
"Ich finde das Ergebnis in Wien zwar super, aber die Grünen haben in der letzten Legislaturperiode versagt. Ich glaub', sie haben so viel verloren, weil sie zu oft 'Ja und Amen' gesagt haben, zu Dingen, die die ÖVP vorgeschlagen hat. Viele Grün-Wähler sind einfach enttäuscht", sagte etwa Nikolai S., der selbst in Mariahilf wohnt und an diesem Montagvormittag gerade mit einem Freund den Wocheneinkauf erledigte.
Minus 15 Prozent in 1060 und 1070
Er selbst habe zwar auch grün gewählt, sei aber im "Wigglwaggl mit Rot" gewesen. "Aber ich steh' für grüne Themen und in der Hinsicht machen sie am meisten. Die Vorzugsstimme hab' ich der Gewessler gegeben, weil die doch viel durchgebracht hat", erklärte der 36-Jährige.
Beim Blick in die Statistik zeigt sich, dass die Grünen speziell in Mariahilf und Neubau abgestraft worden sind. Im siebten Wiener Gemeindebezirk verloren sie 15 Prozent und landeten so bei 22 Prozent. Im sechsten Bezirk schafften sie nicht einmal 20 Prozent.
"Wigglwaggl" zwischen Rot und Grün
Dass treue Grün-Wähler im "Wigglwaggl" waren, hörte man beim Lokalaugenschein nicht nur einmal. "Ich bin schon in Hainburg in der Au gesessen und hab' trotzdem lange überlegt, ob ich im Freundeskreis sag', ja dann müssen wir halt den Schwarzen wählen. Damit es irgendeine Chance gibt, den Blauen zu verhindern", schilderte Andrea K. Sie habe nicht mit so einem schlechten Ergebnis gerechnet, aber es komme nicht von irgendwoher.
"Ich kenn auch viele unter den Grünen, die sind ja so zerstritten. Die Querschüsse und Eifersüchteleien untereinander, das seh' ich überall bei den Grünen. Wie sie zum Beispiel bei der Europawahl in den Dreck gegriffen haben mit der Lena Schilling, das geht ja auf keinen grünen Zweig", betonte die 69-Jährige.
"Werden nicht mehr ernst genommen"
Das habe sicher dazu beigetragen, dass sie nicht mehr ernst genommen werden. "Das hat der ganzen Partei massiv geschadet. Und dass der Kogler dann so an ihr festgehalten hat, da hab' ich mir gedacht, irgendwie ist er daneben", so die gebürtige Oberösterreicherin.
Von der Politik her hätte sie die Grünen nicht gewählt, aber von der Idee her. Und wegen Alma Zadić. Die Justizministerin holte sowohl von den Landeslisten-Kandidaten als auch über alle Wiener Regionalwahlkreise hinweg die meisten Vorzugsstimmen - und setzte sich damit auch gegen Vizekanzler Werner Kogler und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler durch.
Wechselwähler "abhandengekommen"
"Wenn Sie an die Frau Gewessler denken, die hat halt Dinge durchgezogen, die für ihre Kernklientel richtig und wichtig waren, aber die andere zum Teil schon irritiert haben. Ich finde, die Grünen haben ihre Kernklientel ganz gut bedient, aber die Wechselwähler sind ihnen abhanden gekommen", sagt Alfred K., der in Währing wohnt. Der 80-Jährige habe Karl Nehammer gewählt - "das kleinste Übel".
Melanie G., die ihn Favoriten lebt, hat Rot gewählt. "Nach dem Ergebnis am Sonntag bin ich in Tränen ausgebrochen. Als hoffnungslose Optimistin hab' ich das so nicht erwartet. Danke Wien, da ist es Gott sei Dank nicht so enttäuschend", sagte die 45-Jährige.
"Haben sich keinen Gefallen getan"
Die Grünen seien für sie keine Option gewesen. "Die Grünen haben sich keinen Gefallen damit getan, was sie in der Regierung getan bzw. viel mehr nicht getan haben", so G.. Sie habe sich für Babler entschieden, da sie darin die einzige Möglichkeit sieht, das Land wieder auf Vordermann zu bringen.
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