Von Grillparzer bis Karl Kraus: Österreichs literarische Schätze in Wien

Eines von vielen Beispielen, das die Geschichte der Literatur greifbar macht: Eine Feldbücherei des Reclam-Verlags aus 1914.
„In Wien musst’ erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang“, konstatierte einst Helmut Qualtinger. Karl Kraus ging mit der Bundeshauptstadt härter ins Gericht: „Wien hat lauter Wahrzeichen und jeder Wiener fühlt sich als solches.“ Und Fritz Molden hielt der Verklärung der Wiener Vergangenheit kluge Worte entgegen: „In Wien hat sich seit Hundert Jahren nichts verändert, nur der Kaiser kommt nicht mehr.“
Wien und seine Autoren, Wien und seine Literatur waren schon immer untrennbar miteinander verbunden. Die Stadt spiegelt sich in einer langen Reihe von Büchern, Theaterstücken, Gedichten und Zitaten wider – und die Literatur hält ihr den Spiegel vor. „Ich würde sagen, es gibt eine zweite Stadt in Wien, und das ist eine Literaturstadt“, sagt Bernhard Fetz.
Wo einst Franz Grillparzer arbeitete
Sein Reich ist das Literaturmuseum in der Johannesgasse im 1. Bezirk, ein historisches Gebäude, in dem Literatur schon immer ein Zuhause hatte. Denn dort arbeitete einst Franz Grillparzer als Archivdirektor der Monarchie – eine Aufgabe, die seiner literarischen Arbeit oft im Wege stand.

Hier arbeitete einst Franz Grillparzer als Archivar. Heute findet sich hier ein Museum.
„Daß sich in Wien ordentlich leiden läßt, das hat Grillparzer bewiesen“, meinte dazu Franz Kafka. Grillparzers Arbeitszimmer ist noch im Originalzustand erhalten. Und auch die deckenhohen Bücherregale, in denen der Schriftsteller einst Aktenberge einstapelte, stehen noch an Ort und Stelle.

Die denkmalgeschützten Regale dienen als Ausstellungsfläche.
„Sie stehen unter Denkmalschutz, bieten uns aber eine einzigartige Bühne für unsere Ausstellungsstücke“, sagt Museumsdirektor Fetz.
Und dazu zählen weit mehr als nur Bücher oder Schriftstücke: Die Geschichte der österreichischen Literatur und ihrer Autorinnen und Autoren wird durch Objekte greifbar, ja sogar persönlich gemacht.
Alltagsgegenstände namhafter Autoren
Das können genauso Fotografien sein wie Videoausschnitte oder Postkarten, aber auch Alltagsgegenstände wie Kleidungsstücke, Wanderschuhe oder Koffer. Ein großer Teil der Sammlung stammt aus Nachlässen, vieles haben aber auch die Autoren dem Literaturmuseum, das übrigens zur Nationalbibliothek gehört, zur Verfügung gestellt.
„Mittlerweile können wir aus rund 600 Sammlungen von Autorinnen und Autoren schöpfen“, schildert Fetz.
Wobei Literatur als Kind ihrer Zeit auch immer einen historischen Kontext braucht: Die Dauerausstellung, die sich über zwei Stockwerke zieht, behandelt die Entwicklung der österreichischen Literatur vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Plakate, Flugblätter und andere Medien dienen als Zeitdokumente und ziehen die Besucherinnen und Besucher in die Vergangenheit.
Autoren aus Wien in Berlin
Wien spielt bei allen diesen Kapiteln der Literaturgeschichte eine Rolle. Schon immer war es eine Stätte der Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Und das nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern vor dem Hintergrund der Vielsprachigkeit auch international. „Die österreichische Literatur ist sehr viel größer als das heutige Österreich“, macht Fetz klar. „Selbst, als Berlin in den 1920er-Jahren zur Literaturmetropole wurde, wurde es von Autorinnen und Autoren aus Wien mitbestimmt.“
Das Literaturmuseum gehört zur Nationalbibliothek. Es liegt in der Johannesgasse 6 in der Inneren Stadt.
Infos: Dienstag bis Sonntag 10 –18 Uhr, Donnerstag 10 –21 Uhr. Es werden auch Sonderausstellungen gezeigt. Infos: onb.ac.at
10 Jahre besteht das Museum mittlerweile. Es ist ein Museum für alle – von Alt bis Jung, für Literaturfans und für Lesemuffel, denn Schauen und Angreifen ist erlaubt.
Der Nationalsozialismus bedeutete einen harten Schnitt, machte Wien aber umso mehr zu einer Literaturstadt. Denn die Exilantinnen und Exilanten hielten in ihren Texten ein Wien fest, das es längst nicht mehr gab – Gedankengänge, die zu Zeitreisen wurden.
Was aber nicht heißt, dass sie ihre einstige Heimatstadt verklärt sahen. „Ich muß über die Stadt ein vernichtendes Urteil abgeben: Wien bleibt Wien“, schrieb einst Alfred Polgar.
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