Joesi Prokopetz: Froh, wenn der "Schmäh no amoi einegeht"

Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz
Joesi Prokopetz. Der Schöpfer der „Blume aus dem Gemeindebau“ über Ziegelteiche, albanische Mafiosi und darüber, was der Ambros zu alldem sagt.

Natürlich fragen sich in der Donaustadt ortskundige Wiener seit bald einem halben Jahrhundert, wo genau dieser „Ziegelteich“ in Stadlau eigentlich sein soll. In Stadlau gib es nämlich keinen Ziegelteich, es gibt genau genommen gar keinen Teich dort. Im unweit gelegenen Hirschstetten sehr wohl, aber ehrlich: Wäre „Die Blume aus dem Gemeindebau“ ein Hit geworden, wenn darin von einem „Hirschstettner Ziegelteich“ die Rede gewesen wäre? Wenn es darin „Schau schau, da geht die schönste Frau von Hirschstetten“ geheißen hätte? Das hätte nicht einmal der Wolfgang Ambros mit seiner umwerfend jungen Bluesstimme zustande gebracht.

Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz waren jung, sehr jung, als sie gemeinsam „Die Blume aus dem Gemeindebau“ und andere wirkliche Meisterwerke dieser Zeit schufen. Prokopetz schrieb, Ambros sang. Beim „Hofer“ war Prokopetz keine zwanzig, bei der „Blume aus dem Gemeindebau“ 25 und ob es in Stadlau einen Ziegelteich gab, war ihm wurscht, er wohnte in Ottakring. Es ist ihm heute auch noch irgendwie wurscht. Das Lied ist schließlich ein unverrückbares Gesamtkunstwerk (sagt nicht er, sagt die Redakteurin) und das Wort „Hirschstetten“ hätte einfach nicht funktioniert. Auch weil es darin kein „L“ wie in „StadLau“ gibt. Im Übrigen hält es Prokopetz mit Elfriede Ott, unter deren Regie er einige Male auf der Bühne stand: „Scheiß auf die Realität“. Daher kommt der Ziegelteich auch gleich im ersten Satz von Prokopetz’ neuem Krimi vor, einem „70er-Jahre Krimi“ namens „Die Blume aus dem Gemeindebau“: „Der uniformierte Polizeibeamte stand nahe dem Ufer eines Stadlauer Ziegelteichs und kratzte sich ratlos am Arsch.“

Vertrottelte Kieberer

Zugegeben, ein schöner Einstieg. Prokopetz mag den Satz auch. Und er weiß natürlich: Der in der österreichischen Medienlandschaft weitverbreitete ratlose bis depperte Kieberer ist keine Ösi-Erfindung. Das Spektrum der versifften, versoffenen oder naturvertrottelten Ermittler, Vollzugsbeamten und heruntergekommenen Privatdetektive ist weltweit breit und literaturhistorisch gut aufbereitet. Prokopetz’ Lieblingskrimi ist der legendäre, mit Mickey Rourke verfilmte Thriller „Angel Heart“ des US-Schriftstellers William Hjotsberg, von dem er früher gern abgeschrieben hat. Ist ja kein Geheimnis. Besser gut abgeschrieben als schlecht erfunden.

Prokopetz ist ein bisserl ein Tiefstapler. Es ist ihm unangenehm, wenn ihm Menschen von seinen Songtexten vorschwärmen. Das erinnert ans eigene Alter: „Wenn mir Menschen sagen, sie haben ihre Jugend mit mir verbracht, lässt mich das depressiv zurück. Ich leide ja sehr unter der Vergänglichkeit.“ Angesprochen auf die gute Haltbarkeit seiner Texte geht er höchstens so weit, zu sagen, er sei froh „wenn der Schmäh no amoi einegeht.“ Dass er die Geschichte von der Blume aus dem Gemeindebau jetzt weitergeschrieben hat, sei allein die Idee des Verlegers gewesen. „Ich hab mir kein Denkmal damit setzen wollen.“ Den „Hofer“ gibt’s schon als Krimi und der „Zentralfriedhof“ kommt noch. Dann gibt’s drei unverwüstliche Ambros-Prokopetz-Klassiker als Buch zum Song.

Wolfgang Ambros bekundet sein Wohlwollen im Vorwort des vorliegenden Buches, er sei stolz über die Entwicklung des Freundes zum Romancier. Wer Prokopetz’ schon in sehr jungen Jahren geschriebene Texte kennt, den wundert das nicht. Er sagt dazu nur, er habe als junger auch unfassbaren Kitsch verfasst. Seine ersten Gedanken zum Thema Friedhof etwa ... gut, dass keiner das gelesen hat.

Der schöne Edi

Der Krimi also: Eine nostalgische, herrlich unkorrekte Zeitreise, mit einem Wort: Eine Riesenhetz. Die Sprache: sehr Wienerisch. Die Jungen werden die Fußnoten brauchen. Auch Ältere können was lernen. Der Plot: Wiener Rotlichtszene der 70er samt Aufkommen der albanischen Mafia. Die Figuren: Ein Sammelsurium von Typen, die’s wirklich gegeben hat. Den schmierigen Bademoden-Conférencier etwa. Der in Wirklichkeit ein Original namens „Der schöne Edi“ war.

Eines noch: Prokopetz möchte jetzt eine Serie über eine Detektei namens Fritz Kafka schreiben. Deren Ermittlungen sollen scheinbar sinn-und zweckbefreit sein.

Nur der Leser soll wissen, dass etwas Größeres dahinter steckt ...

46-218886538

Joesi Prokopetz:
„Die Blume 
aus dem 
Gemeindebau“
edition a.
208  Seiten.
22 Euro