Städtische Landwirtschaft: Eine neue Ordnung für Wiens Äcker

Drohnenaufnahmen zeigt das Stadterweiterungsgebiet Rothneusiedl.
Wertvolle Anbauflächen sind durch das Konzept AgSTEP mehr oder weniger geschützt. Nun gibt es eine Neufassung - mit Folgen für manch Bauprojekt.

Mehr als 5.900 Hektar des Wiener Stadtgebiets sind landwirtschaftliche Flächen. Im Vergleich zu anderen Städten ist das viel. Nichtsdestotrotz schrumpfen die Agrarflächen: Im Jahr 2000 machten diese noch 6.800 Hektar aus. Die Sicherung von wertvollen Äckern steht in einer wachsenden Stadt wie Wien immer mehr auch im Konflikt zur Stadtentwicklung, allem voran durch den Wohnbau.

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Bewahren will die Stadt Agrarflächen mit dem sogenannten Agrarstrukturellen Entwicklungsplan (AgSTEP). Erstellt wurde dieser zuletzt 2014 und galt als veraltet. Gestern präsentierten Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) und Norbert Walter, Präsident der Landwirtschaftskammer Wien, den überarbeiteten AgSTEP 2024.

Wohnraum statt Äcker

Die wesentlichen Ergebnisse: Laut Neufassung sind 82 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche als Vorranggebiet ausgewiesen – im Vergleich zur Fassung von 2014 eine Steigerung um ein Prozent. Die Stadt betont eine Steigerung von 18 Hektar im Vergleich zu 2004.

Veränderungen gibt es auch bei der Art der Vorranggebiete, die sich in drei Kategorien unterteilen. Die am stärksten geschützten Flächen der Kategorie 1 sind laut Stadt um 52 Hektar gewachsen.

Städtische Landwirtschaft: Eine neue Ordnung für Wiens Äcker

Deutliche Änderungen gibt es im 10. Bezirk für den geplanten neuen Stadtteil Rothneusiedl. In den nächsten Jahren sollen hier 21.000 Menschen neuen Wohnraum finden. Einige Flächen der Kategorie 2 sind nun als Kategorie 3 klassifiziert. Die betroffenen Abschnitte gelten teilweise als potenzielle Flächen für die Siedlungsentwicklung.

Städtische Landwirtschaft: Eine neue Ordnung für Wiens Äcker

Neue Vorranggebiete

Im 21. Bezirk sind neue Flächen erstmals als Kategorie 2 aufgenommen worden. Dazu zählen Areale im Gebiet Bisamberg sowie im Gebiet „In den Winkeln“. Das Ackerbaugebiet Marchfeld-Stammersdorf ist um 27 Hektar auf 88 Hektar gewachsen.

„Grund und Boden zählen in Millionenstädten zu den knappsten und daher begehrtesten Ressourcen“, unterstrich Walter. Angesicht von Bevölkerungswachstum und hohem Bodenverbrauch sichere der AgSTEP, „dass uns nicht der Boden unter den Füßen weggezogen wird“.

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Kritik an den Entwicklungen in Rothneusiedl richteten Bürgerinitiativen vor Ort an Czernohorszky. Dieser konterte mit einem Seitenhieb in Richtung Bundesregierung. „Wir sind eine Republik, die es nicht schafft, Boden zu schützen. Im dichtverbauten Gebiet über eine Nachverdichtung nachzudenken, macht jedoch Sinn“, erklärt Czernohorszky. Der AgSTEP sorge dafür, dass auf den Erhalt von Flächen in den nächsten zehn Jahren besonderes Augenmerk gelegt werde.

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Umwidmungen

Für Schlagzeilen sorgte zuletzt ein Bericht der Wiener Zeitung über Umwidmungen in der Donaustadt. Bauträger, davon zwei gemeinnützige mit Naheverhältnis zur SPÖ, hatten im März 2012 und November 2013 Flächen im Oberfeld gekauft. Damals galt das Areal als Vorranggebiet der Kategorie 3.

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Wenig später, im Juni 2014, änderte sich das. Mit der damaligen Neuauflage des AgSTEP verloren die Äcker ihren Schutzstatus. Einen Tag nach dem Beschluss beantragten die Bauträger die Umwidmung. Im Oktober dieses Jahres widmete der Gemeinderat die Felder schließlich in wertvolles Bauland um.

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Sozialer Wohnbau

Angesprochen auf die Vorgänge, erklärte der Stadtrat, dass sich diese vor seiner Zeit zugetragen haben.

Am Dienstag sah sich auch die Wiener Landesgruppe des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen zu einer Aussendung veranlasst: „Damit der gemeinnützige Sektor auch in Zukunft leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen kann, sind Umwidmungen dringend erforderlich. Sie dienen nicht der Spekulation, sondern der Vorsorge für den sozialen Wohnbau“, erklärte der Landesgruppenobmann Michael Gehbauer.

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