Wien: Kritik an hohen Altbaumieten

Wien: Kritik an hohen Altbaumieten
Laut Stadt Wien wird bei vier von fünf Angeboten mehr verlangt, als erlaubt. Bau-Branche kritisiert veraltetes Regelwerk.

80 Prozent der in Wien angebotenen Altbau-Wohnungen sind überteuert. Zu diesem Ergebnis kommt die Stadt Wien, die rund 40.000 Angebote auf zehn Immobilienplattformen unter die Lupe nahm und nach Herausfilterung von Mehrfachangeboten 4000 genau überprüfte.

„Bei vier von fünf Angeboten wird deutlich mehr verlangt, als es das Richtwertmieten-Gesetz erlaubt“, erklärt Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig (SPÖ). „Durchschnittlich um 3,54 Euro pro Quadratmeter über den zulässigen Tarifen.“ In Wien liegt der gesetzliche Richtwert für Altbauwohnungen, die vor 1945 gebaut wurden, bei 5,58 Euro pro Quadratmeter plus Zuschläge – das ist ob des hohen Anteils an geförderten Wohnungen der zweitniedrigste bundesweit.

Aber nicht nur bei den neuen, auch bei den bestehenden Mietverhältnissen ortet der Ressortchef eine Schieflage: Bei insgesamt 2700 Mietzinsüberprüfungen über die Wiener Schlichtungsstelle wurden im Vorjahr die gesetzlich zulässigen Mietvorschreibungen im Schnitt um 3,18 Euro pro Quadratmeter überschritten.

Wien: Kritik an hohen Altbaumieten
Interview mit Michael Ludwig in seinem Büro. Wien, 20.01.2017
Zudem seien 78 Prozent der Angebote am privaten Wohnungsmarkt befristet – "was die Wohnsicherheit deutlich einschränkt", so Ludwig. Außerdem werde nur in den wenigsten Fällen der gesetzlich festgeschriebene Abschlag von 25 Prozent auf den geltenden Richtwert zur Anwendung gebracht, kritisiert der Stadtrat.

Mobile Mieterhilfe

Die überhöhte Miete wird allerdings von den meisten Mietern anstandslos hingenommen. "Teilweise aus Unwissenheit, aber natürlich auch aus Angst, dass der befristete Mietvertrag nicht verlängert wird", erklärt Christian Bartok, der Leiter der Wiener Mieterhilfe.

Seitens der Stadt will man deshalb nun über die kostenlose Mieterhilfe und die dem Gericht vorgelagerte Schlichtungsstelle hinaus aktiv werden. "Wir haben in einer Datenbank rund 4000 Häuser erfasst, wo zu viel Miete verlangt wird. Dort werden wir auf die Mieter zugehen und sie über ihre Mietverhältnisse und die Unterstützungsangebote informieren“, so Ludwig.

Unter www.mieterhilfe.at stehen zudem ein Mustermietvertrag sowie Onlinerechner zur Verfügung, mittels derer Miete, Betriebskosten oder auch Ablöse überprüft werden können. In Zukunft werde zudem der Fokus der Gebietsbetreuungen mehr auf Mieterberatung liegen.

Vom Bundesgesetzgeber fordert der Stadtrat ein einheitliches, transparentes Miet- und Wohnrecht. Mit privaten Hauseigentümern sei man als Stadt weitgehend in einem guten Einvernehmen, betont er. "Wir fördern ja auch Sanierungen."

"Gründerzeitviertel nicht mehr zeitgemäß"

„Es ist nicht okay, das Gesetz nicht einzuhalten, aber es braucht auch einhaltbare Gesetze“, erklärt dagegen Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe Immobilien in der Wiener Wirtschaftskammer. So gebe es etwa nur in Wien Gründerzeitviertel, für die kein Lagezuschlag berechnet werden dürfe. Die Regelung, die rund ein Drittel des Altbaubestandes in der Stadt betreffe, beziehe sich auf mittlere Wohnlagen und einfache Ausstattung zur Bauzeit - also vor etwa 150 Jahren. Sie sei also nicht mehr zeitgemäß und gehöre abgeschafft. Zudem müsse der „politisch festgelegte“ Richtwert neu berechnet werden.

Politische Mietrechtsdiskussionen und Schlichtungsverfahren würden zur Verunsicherung der Eigentümer und so zu immer mehr Befristungen führen. Es bedürfe daher neuer Befristungsregelungen und der Abschaffung des Eintrittsrechts (Partner kann nach Frist in Vertrag eintreten). Außerdem müssten Mietverträge vorher und nicht nachträglich geprüft werden.

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