Integrationsvereine in Wien schlagen Alarm: Es fehlt Geld und Personal

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Man leiste wertvolle Arbeit, damit das Zusammenleben funktioniert. Vonseiten der Stadt erhalte man aber wenig Unterstützung, beschreiben Vereinsgründer.

Amir Sahil ist Kickboxer und stammt aus Afghanistan. Eine Kombination, die bei vielen Menschen Angst hervorruft: Einmal habe er in einem Park in Wien ein Buch gelesen, erzählt er. Ein paar Mädchen fragten ihn, woher er komme. „Als ich gesagt habe, aus Afghanistan, sind sie sofort davongelaufen.“

Amir Sahil ist aber auch Sozialpädagoge, Mitarbeiter der Sportuniversität Wien und engagiert sich im Integrationsverein „Neuer Start“. Wenn er sich mit Vereinsgründer Shokat Walizadeh, ebenfalls aus Afghanistan, unterhält, fallen Wörter wie „Biografiearbeit“, „Sensibilisierung“ oder auch „Wertschätzung“.

In ihrer täglichen Arbeit setzen sich der Sozialarbeiter Walizadeh und der Pädagoge Sahil dafür ein, dass Vorurteile gegen Afghanen abgebaut werden und dass sich Kinder, Frauen und Männer hier gut integrieren. „Und wir würden gerne noch viel mehr tun – doch uns fehlt das Geld“, sagt Walizadeh.

Denn ein großer Teil ihrer Arbeit erfolgt ehrenamtlich. Um die Politik auf das Problem aufmerksam zu machen, haben sie sich nun mit anderen zusammengeschlossen. Eine von ihnen ist Yasmin Randall, Psychotherapeutin aus Wien, die sich seit dem Jahr 2015 im Verein „You Are Welcome“ für die Integration Geflüchteter engagiert. Sie fasst es auf gut Wienerisch zusammen: „Wir sind schon ein bisschen angefressen, dass unsere wichtige Arbeit nicht ausreichend honoriert wird.“

Shokat Walizadeh (li.) und Amir Sahil (re.) vom Verein „Neuer Start“ mit Yasmin Randall von „You Are Welcome“.

Shokat Walizadeh (li.) und Amir Sahil (re.) vom Verein „Neuer Start“ mit Yasmin Randall von „You Are Welcome“. 

Helfen, wo es nötig ist

Wie die Arbeit der Vereine in der Praxis aussieht?

„Wir helfen, wo es nötig ist: beim Deutschlernen, bei Amtswegen, beim Wohnungssuchen“, beschreibt Randall. Derzeit sei die Integration von Kindern ins Schulsystem ein großes Thema, also unterstütze man Kinder aus Afghanistan. „Wir haben eine Challenge ausgerufen: Wer mindestens ein Buch pro Monat liest, ein Museum besucht und sich um eine Schulnote verbessert, fährt zur Belohnung mit dem Twin City Liner nach Bratislava“, erzählt Randall. Elf Kinder waren dabei – die Freude über den Ausflug war riesig.

Walizadeh und Sahil wiederum sind täglich an der Basis unterwegs, können mit Geflüchteten in deren Muttersprache sprechen und gelten in der Community in Wien als Vorbilder. „Die Eltern sind in Afghanistan ganz anders aufgewachsen als ihre Kinder hier. In Gesprächen reflektieren wir das und erklären, was bei der Erziehung wichtig ist“, beschreibt Walizadeh.

Spielen verbindet: Auch Schachspieler konnten zeigen, wer der bessere Stratege ist.

Spielen verbindet: Auch Schachspieler konnten zeigen, wer der bessere Stratege ist. 

Ein zentraler Teil ist auch die Männerarbeit, in der über Männerbilder in der Gesellschaft gesprochen wird: „Wie veranstalten eigene Männercafés, wo sich alle ohne Scheu öffnen und ihre Fragen stellen können.“

Oft funktioniert Integration auch über den Sport: Ob Fußball, Volleyball oder Kickboxen – ein gemeinsames Hobby kann verbinden. Alljährlich veranstaltet der Verein „Neuer Start“ daher ein Integrationsfestival unter dem Motto „Von Kabul bis Wien“, das jüngste fand erst im August im 20. Bezirk statt. Beim Fußballturnier, beim Schachspiel oder beim Malen kamen hier Groß und Klein aus zahlreichen Ländern zusammen. Zudem bietet der Verein wöchentliche Sporttrainings an – ein wichtiger Bestandteil der Präventionsarbeit, betont Walizadeh.

Sport verbindet: Männer und Frauen demonstrierten beim Fußball ihr Können.

Sport verbindet: Männer und Frauen demonstrierten beim Fußball ihr Können. 

Im Kreis geschickt

„Sogar das Jugendamt und das Krisenzentrum empfehlen uns. Wir bräuchten aber dringend Psychologen und Sozialarbeiter“, betont Walizadeh. Man habe bei der Stadt um Unterstützung angesucht, werde aber von einem Ressort zum anderen geschickt, keiner fühle sich zuständig. „Dabei sind wir flexibel, niederschwellig, effizient und billig.“ Auch Randall betont: Es fehle an Geld, an Räumlichkeiten, an Wertschätzung. „Wir wissen nicht, wie lange wir das so noch schaffen.“

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