Integration in den Arbeitsmarkt: Vom Flüchtling zum Vorzeige-Lehrling

Sara Rebeschini (li.) vom Verein T.I.W. fördert und begleitet die 18-jährige Lina (re.) aus der Ukraine.
„Am Anfang“, erzählt die 18-jährige Lina (siehe Bild oben rechts), „war es hier sehr schwierig für mich.“ Im März 2022, also einen Monat nach Kriegsbeginn, flüchtete sie mit ihrem Bruder und ihrer Mutter aus der Ukraine nach Wien. Für die damals 16-Jährige begann eine harte Zeit: „Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen, niemanden gekannt, nichts verstanden.“ Selbstzweifel plagten sie: die Angst, in der neuen Sprache Fehler zu machen und in der Schule zu versagen.
Ein Jugendcoach an ihrer Schule brachte Lina mit dem Verein T.I.W. (Verein für Training, Integration und Weiterbildung) in Kontakt. Die gemeinnützige Organisation begleitet benachteiligte Jugendliche und hilft ihnen, eine Ausbildung oder einen Job zu finden und sich in die Arbeitswelt zu integrieren. Dazu zählen etwa junge Menschen, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben, die über keinen Pflichtschulabschluss verfügen oder die geflüchtet sind.
Jeder hat Potenzial
Die Philosophie dahinter: Jeder hat Potenzial – und dieses gehört erkannt und gefördert. 2.417 Jugendliche wurden von dem Verein im Vorjahr betreut.
Auch Lina bekam über T.I.W. mehrere Praktika vermittelt: in einem Supermarkt, einem Möbelhaus, bei einer Fast-Food-Kette, dann in einer Küche in einem Wiener Seniorenheim. „Dort habe ich mich erstmals getraut, ein bisschen mehr auf Deutsch zu reden. Man hat mir gesagt, dass ich schon viel besser spreche. Das hat mir Motivation gegeben und Angst genommen“, erzählt Lina.
Die Suche nach dem passenden Beruf
Auf ihrem Weg wird sie von Berufsausbildungsassistentin Sara Rebeschini (siehe Titelbild oben links) vom Verein T.I.W. begleitet. Gemeinsam lotete man aus, welcher Beruf zu Lina passen könnte. Im November 2023 trat sie schließlich eine Lehre zur Restaurantfachfrau in einem gehobenen Hotel in der Wiener Innenstadt an.
"Das Wichtigste ist individuelle Förderung"
„Nach zwölf Jahren Erfahrung in diesem Bereich kann ich sagen: Das Wichtigste ist die individuelle Förderung“, so Rebeschini. Lina etwa habe Ermutigung gebraucht: „Sie traute sich manches einfach nicht zu.“ Nach wie vor treffen sie einander jede Woche. Rebeschini ist eine wichtige Ansprechpartnerin, nicht nur in beruflichen Fragen. Oft erzählt Lina auch über ihre Familie in der Ukraine.
Und wie gefällt der 18-Jährigen ihre Ausbildung?
„Es ist super. Ich darf überall mitarbeiten: an der Bar, beim Frühstück, beim Mittag- und beim Abendessen.“ Sogar Mitarbeiterin des Monats war sie schon. Mit den Kunden könne sie in vier Sprachen – Englisch, Deutsch, Russisch und Ukrainisch – sprechen. Nur so manchen österreichischen Dialekt verstehe sie noch nicht, sagt sie und lacht.
Für ihre Mutter sei es hingegen schwieriger. Sie kümmere sich um Linas elfjährigen Bruder, arbeite viel und habe wenig Zeit, Deutsch zu lernen. „Wie sie das alles schafft: Ich bin wirklich stolz auf sie“, sagt Lina. Sie selbst habe sich in Wien gut eingelebt. Ob sie bleiben will? „Zu 80 Prozent würde ich sagen: ja.“ Sie könne sich vorstellen, eine zusätzliche Ausbildung im Marketing oder im Verkauf zu machen. „Und vielleicht einmal ein eigenes Lokal zu eröffnen – wer weiß.“
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