Teilzeitdebatte: AMS-Chef Kopf will Lohn-Steuersystem diskutieren
Zusammenfassung
- Arbeitslosigkeit steigt auf 360.000 Personen, besonders betroffen sind Frauen und Niedrigqualifizierte, aber auch Akademiker.
- Automotive-Sektor sorgt für mehr Arbeitslose, US-Zölle belasten die Branche zusätzlich, Hoffnung auf Aufnahme in andere Industrien.
- AMS-Chef Kopf schlägt vor, das Steuersystem zu reformieren und den Stundenlohn statt des Monatslohns für die Steuerprogression heranzuziehen.
Nach drei Jahren Wirtschaftskrise sind im Juni 360.000 Personen arbeitslos oder in Schulung. Das sind 18.000 Personen mehr als vergangenes Jahr, wobei Frauen von Arbeitslosigkeit stärker betroffen sind. Die Arbeitslosigkeit wächst also, und es sei keine Besserung in Sicht. Das sagt AMS-Chef Johannes Kopf am Montagabend in der ZIB2.
Sorgenkinder unter der Gruppen an Arbeitslosigkeit bereiten Kopf vor allem Niedrigqualifizierte. Ihre Arbeitslosenquote sei besonders hoch, sie seien daher auch schwerer zu vermitteln, so Kopf. Allerdings steigt auch die Arbeitslosigkeit unter Akademikern und Akademikerinnen. Kopf erklärt das mit der steigenden Zahl an Akademikern – etwa durch die FH und Akademisierung der Pflegeberufe.
Auch seien die Kosten in Österreich deutlich stärker gestiegen als in anderen Ländern. Dies führe dazu, dass Österreich vor kurzem das einzige Land in der Eurozone gewesen sei, das noch in der Rezession ist. "Das ist ein Problem. Und der Staat kann kaum gegensteuern, etwa durch niedrigere Steuern oder niedrige Lohnnebenkosten, weil er selber kein Geld hat."
Man habe also eine "verzwickte Situation" und das sei auch der Grund, warum er "nicht damit rechne, dass Österreich rasch aus dieser Krise rauskommt und die Arbeitslosigkeit bald wirklich deutlich sinken wird".
Stundenlohn statt des Monatslohns für die Steuerprogression
Kopf spricht sich beim Thema Teilzeit-Arbeit gegen "Moralisieren" aus. "Ich bin froh, in einem liberalen System zu leben, in dem sich jeder aussuchen kann, wie viel er arbeiten will." Richtig sei aber, dass der Hauptgrund für Teilzeit bei Frauen in der mangelnden Kinderbetreuung liege. Der Staat müsste "ganztägig flächendeckend Kinderbetreuung anbieten", denn viele Beschäftigte würden gerne mehr arbeiten, was aber wegen der Betreuungsproblematik nicht ginge. "Das ist antiquiert, unsinnig und gehört geändert."
Zusätzlich wäre Kopf dafür, das aktuelle Steuersystem zu diskutieren, bei dem der Stundenlohn statt des Monatslohns relevant wäre für die Progression. Es sollten dabei Gründe, die vom Gesetzgeber definiert werden, etwa Kinderbetreuung, Ausbildung, Pflege berücksichtigen werden, sagt Kopf. Und führt weiter aus: "Das würde bedeuten, dass die Frau eines Rechtsanwalts - oder auch seine Frau (Kopfs Frau Anm. d. Red), da auch er Gutverdiener sei – wenn sie bewusst Teilzeit arbeitet und keine kleinen Kinder mehr betreuen muss, einen höheren Beitrag zahlen muss. Der Ansatz im Steuersystem sei besser als bei der Krankenkasse, schließlich "wollen wir doch in einem Land leben, in dem alle krankenversichert sind".
Neues Sorgenthema: Automotive
Ein Bereich, aus dem neuerdings immer mehr Arbeitslose auf den Arbeitsmarkt strömen, ist der Automotive-Sektor, sagt Kopf. Österreich werde in diesem Bereich auch die US-Zölle gegen die EU zu spüren bekommen. Das werde Österreich Arbeitsplätze kosten. "Das wird uns noch länger beschäftigen", meint Kopf. Er hoffe, dass zumindest ein Teil der Arbeitslosen aus dem Automotive-Sektor aus anderen Industrien aufgefangen werden können.
Bei Frauen steigt die Arbeitslosigkeit derzeit stärker als bei Männern, ob das an der stufenweisen Erhöhung des Pensionsantrittsalters liege, wird Kopf gefragt. "Auch", sagt Kopf. Allerdings komme auch dazu, dass sich derzeit der Bau-Bereich (hauptsächlich männliche Beschäftigte) besser erholt, als etwa der Handel, in dem dem hauptsächlich Frauen arbeiten. "Das war aber auch schon einmal umgekehrt", erklärt der AMS-Chef.
Geografisch gesehen, verzeichnet die Bundeshauptstadt Wien die meisten Arbeitslosen. "Wien wächst. Es gibt für die Anzahl an Menschen, die hier leben, einfach zu wenige Arbeitsplätze", sagt Kopf.
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