Schule für viele Familien kaum leistbar: Warum Armut mehr zählt als Fleiß

Schultüten, bedruckt mit Superhelden, stapeln sich auf den Regalen. Daneben gibt es Rucksäcke, Stifte und Mappen. Voller Vorfreude stöbert Aws in dem bunten Sammelsurium. In zwei Wochen ist sein erster Schultag im Gymnasium: „Ich bin sehr aufgeregt und hoffe, dass ich alles gut mache.“ Doch noch muss einiges erledigt – und vor allem eingekauft – werden.
Und das geht ins Geld: „Wir müssen sparen“, sagt der Zehnjährige. Daher ist er mit seiner Mutter und seiner siebenjährigen Schwester Laya in den Carla-Shop der Caritas am Mittersteig in Margareten gekommen. Hier gibt es alles, was man zum Schulstart braucht, zu niedrigen Preisen. „Ganz billig, aber auch ganz schön“, beschreibt es Aws.
Schulstart für viele Familien zu teuer
Jahr für Jahr ist der Schulstart für viele Familien eine finanzielle Herausforderung. Mit rund 2.200 Euro müssen Eltern durchschnittlich pro Kind und Schuljahr rechnen. Für Familien mit niedrigem Einkommen ist das kaum zu stemmen. Daher möchte die Caritas diese gezielt unterstützen: In den Carla-Shops gibt es aktuell leistbare Schulsachen, so lange der Vorrat reicht.
Armut wird noch immer vererbt
„Viel zu oft wird Armut bei uns in Österreich noch vererbt“, erklärt Caritasdirektor Klaus Schwertner. Das heißt: Der soziale Hintergrund und das Einkommen der Eltern entscheiden oft mehr über den Bildungsweg der Kinder als deren Talente oder Fleiß. Dabei sei Bildung die bestmögliche Armutsprävention. „Gleichzeitig wissen wir, dass Familien unter Druck oft gerade bei der Förderung ihrer Kinder sparen müssen“, fügt Schwertner hinzu.
Auch die Familie von Aws könnte sich die Kosten für einen erfolgreichen Schulbesuch der Kinder nicht so ohne Weiteres leisten. Vor zehn Jahren kam die Familie aus Syrien nach Wien. Aws und seine Schwester Laya sind hier aufgewachsen, sprechen fließend Deutsch und sind gut in der Schule. „Lesen, Schreiben, Mathe und Sport“ mögen die beiden am liebsten. „Es hilft, dass es hier nicht so teuer ist. Füllfedern, Uhu, eine Schere und noch ein paar Sachen haben wir heute gekauft“, erzählt Mutter Aya. „Ein Radiergummi hat nur zehn Cent gekostet“, fügt Aws hinzu. Schultüten gibt es um ein bis drei Euro, Rucksäcke um fünf.

Martina Polleres-Hyll (li.) und Klaus Schwertner (re.) von der Caritas, gemeinsam mit Aya, dem zehnjährigen Aws und der siebenjährigen Laya.
Auch Kosten für Nachhilfe belasten Familien
Doch freilich sind es nicht nur die Schulsachen, die das Familienbudget belasten – private Nachhilfe geht ebenso ins Geld. Rund 168 Millionen Euro wurden im vergangenen Schuljahr dafür ausgegeben. Auch hier bietet die Caritas Unterstützung: In 74 Lerncafés werden 2.200 Kinder von Freiwilligen betreut.
Beim Projekt „Frei-Spiel“ wiederum kommen Freiwillige direkt in Kindergärten und Schulen und lernen dort mit den Kindern. „Schon eine einzelne Person kann den Bildungsweg eines Kindes zum Besseren wenden“, betont Martina Polleres-Hyll, Leiterin der Bildungsangebote der Caritas. „Unsere Lernhelfer versuchen, genau diese Person zu sein.“
Die Schulstartaktion: Die Caritas unterstützt Familien mit niedrigem Einkommen. In den Carla-Shops gibt es aktuell Schulsachen zu niedrigen Preisen.
2.200 Euro müssen Eltern im Schnitt pro Kind und Schuljahr ausgeben. Die Kosten für private Nachhilfe beliefen sich zudem im vergangenen Schuljahr auf 168 Millionen Euro.
So kann man helfen: Die Caritas bittet weiterhin um Spenden von gut erhaltenen Schulsachen. Auch Freiwillige werden gesucht. Infos unter wirhelfen.shop oder unter caritas.at.
„Mehr auf die Talente schauen“
Wie wichtig derlei Angebote sein können, illustriert Polleres-Hyll anhand der Geschichte eines Mädchens aus Afghanistan. „In der Mittelschule war sie frustriert, da ihr das Deutschlernen schwerfiel.“ Im Lerncafé lernte sie ihren Helfer Franz kennen, einen pensionierten Lehrer. Er erkannte das Talent des Mädchens für Mathematik und förderte sie in diesem Bereich. „Kürzlich habe ich das Mädchen getroffen: Es macht nächstes Jahr die Matura“, sagt Polleres-Hyll.
Das zeige: „Wir müssen weniger auf die Defizite und mehr auf die Talente der Kinder schauen.“ Doch noch gebe es viel zu wenig Förderung: So stehen etwa mehr als 860 Kinder auf der Warteliste der Lerncafés.
„Im Prinzip sind die Lücken im System seit Jahrzehnten bekannt“, sagt Schwertner. „Aber bisher wurden die Probleme nicht entschärft.“ Umso wichtiger sei es, zu helfen – mit Spenden oder als Freiwilliger: „Wir haben schon viele Spenden erhalten. Aber wir bitten eindringlich, weiterhin gut erhaltene Schulsachen bei uns vorbeizubringen.“ Denn nur mit einer guten Ausbildung hätten die Kinder eine echte Chance – vielleicht sogar einmal ein Superheld zu werden.
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