Herzstillstand zu Hause: Wie eine junge Frau ihren Partner rettete

Ein Paar, das sich in den Armen hält
Den Tag, an dem das Herz von Stefan stillstand, wird Tamara wohl nie vergessen. Doch sie reagierte richtig und reanimierte ihren heutigen Ehemann.

Von Pascal Manasek

Wenn ein Herz plötzlich aufhört zu schlagen, zählt jede Sekunde – ob draußen auf der Straße oder in den eigenen vier Wänden. Was heute Tausende Freiwillige in Wien über die Lebensretter-App ganz bewusst machen, erlebte Tamara ungewollt am eigenen Leib: 

Als das Herz ihres Partners Stefan am 06. Juni 2020 plötzlich in der gemeinsamen Wohnung in Wien aufhörte zu schlagen, wurde sie zum Lebensretter. 

Stefan ist Krankenpfleger und arbeitet in einer Ambulanz. Nach dem Dienst kam er an besagtem Abend, wie immer, zu seiner Freundin Tamara – einer Elementarpädagogin - nach Hause. 

An diesem Tag entschieden sie sich dazu, Essen zu bestellen und den Abend gemütlich auf der Couch im Wohnzimmer zu verbringen. Dann begann Stefan plötzlich unkontrolliert zu zucken

Nicht mehr ansprechbar

Zunächst dachten beide, die Hitze sei schuld. Stefan legte sich schlafen. Doch Tamara blieb unruhig – das Zucken beunruhigte sie. Zwei Stunden später wachte Stefan auf, wirkte immer noch müde. Inzwischen war es kurz nach Mitternacht. Tamara verließ kurz das Zimmer. Als sie zurückkam, hörte sie ein merkwürdiges Schnaufen.

„Ich habe mich gefragt: Wieso schnaubt Stefan wie ein Pferd“, erzählt Tamara dem KURIER. Sie sprach ihn an – dann kippte er zur Seite. Tamara erkannte den Ernst der Lage und wählte sofort den Notruf 144. „Ich war zwar super angespannt, aber relativ ruhig. Ich habe gewusst ich muss jetzt sagen, wo ich wohne, wie ich heiße und warum ich anrufe,“ erinnert sie sich.

Oft trifft es das engere Umfeld

Ungefähr 80 Prozent der Herz-Kreislaufstillstände passieren in den eigenen vier Wänden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf einen Fremden treffe, dem ich helfen muss, ist also relativ gering,“ informiert Mario Krammel, Chefarzt der Berufsrettung Wien und geschäftsführender Präsident des Verein Puls, einem Verein gegen den plötzlichen Herztod. 

Dennoch kommt es vor, dass sich Leute nicht trauen, hinzugreifen – aus Angst, etwas falsch zu machen. Dabei ist genau das von höchster Priorität, denn „pro Minute ohne Hilfeleistung sinkt die Überlebenschance um etwa zehn Prozent,“ betont er. (Was genau im Notfall zu tun ist, erklärt der Verein Puls hier.)

Angst habe ich auch gehabt. Aber das Schlimmste, was man machen kann, ist nichts machen. Was mich überrascht hat – ich habe nicht immer gewusst, was ich tun muss, ich habe einfach getan. Das ist so wichtig: Sich einfach zu trauen, irgendetwas zu machen, man wird am Telefon sowieso gut durch die Situation durchgeleitet.

von Tamara

zur Reanimation ihres Partners

Sekunden die zählten

„Ich glaube, er atmet nicht mehr,“ sagte Tamara dem Notrufdisponenten. Dieser leitete sie durch die Reanimation. Tamara hatte in dem Fall keine App – aber die Maßnahme war dieselbe: Herzdruckmassage, sofort und ohne Zögern. „Ich hatte Angst, ihm weh zu tun, aber in dem Moment funktioniert man einfach.“, sagt Tamara.

Wenige Minuten später trafen die ersten Teams der Berufsrettung Wien ein, begleitet von Polizei, Feuerwehr und einem Lebensretter der mittels „Lebensretter-App“ alarmiert worden war. Sie war von der Menge an Menschen überrascht. Dass so viele Einsatzkräfte zu einer Reanimation fahren, ist in Wien jedoch normal.

„Die Zeit verging extrem schnell, aber auch irgendwie gar nicht“, erzählt Tamara. Stefans Herz begann um 0.25 Uhr plötzlich wieder zu schlagen. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, sein Zustand war aber nach wie vor kritisch.

Angeborene Herzerkrankung

Von all dem bekam Stefan nichts mit. In seiner Erinnerung endete der Abend mit dem Einschlafen auf der Couch. Erst an das Aufwachen auf der Intensivstation einige Zeit später kann er sich erinnern. 

Der Grund für den plötzlichen Herzstillstand: das ihm angeborene Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW). Eine Erkrankung, die unter anderem die Reizweiterleitung im Herzen beeinflussen kann. Davon wusste er allerdings bis zu diesem Zeitpunkt nichts.

Ein glückliches Ende

Fünf Jahre später ist klar: ohne Tamaras beherztes Eingreifen hätte Stefan vermutlich nicht überlebt. Im April dieses Jahres haben beide geheiratet. Ihre Geschichte erzählen sie, um zu zeigen, wie wichtig es ist, im Notfall zu handeln. 

Tamara rettete Stefan das Leben – und legte den Grundstein für eine Zukunft, die es vielleicht so sonst nie gegeben hätte.

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