Terror-Plan am Hauptbahnhof: Verurteilter Jugendlicher wieder in U-Haft
Jener 17-Jährige, der sich am 11. September 2023 im Namen des "Islamischen Staat" (IS) mit einem Kampfmesser zum Wiener Hauptbahnhof begeben hatte, um am Bahnhofsgelände auf Passanten einzustechen, befindet sich wieder im Gefängnis. Freitagmittag wurde über ihn vom Landesgericht für Strafsachen die U-Haft verhängt. Als Haftgrund wurde Tatbegehungsgefahr angenommen, teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf APA-Anfrage mit. Der U-Haft-Beschluss ist rechtskräftig.
Der Bursch war erst im vergangenen April am Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung rechtskräftig zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt verurteilt worden. Nach seiner Enthaftung dürfte er dem Gedankengut des IS nicht abgeschworen haben.
Der junge Mann, dem das Gericht die Weisungen erteilt hatte, sich einem Deradikalisierungsprogramm zu unterziehen und seine Psychotherapie fortzusetzen, soll auf sozialen Medien einschlägige Postings abgesetzt und dem IS gehuldigt haben. Er sei vor wenigen Tagen festgenommen worden, bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Judith Ziska, entsprechende Informationen der APA. Ermittelt wird gegen den Jugendlichen wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation.
Weitere IS-Aktivitäten auf Social Media
Bei seiner Einvernahme vor der Haftrichterin soll der 17-Jährige das Verschicken von einschlägigem, vom Terror-Paragrafen umfassten Material zugegeben, aber seine Verantwortung relativiert bzw. abgeschwächt haben. So behauptete er, er habe nicht erkannt, dass im Hintergrund die IS-Fahne zu erkennen war.
"Er hatte leider Zugang zum Handy", kommentierte David Jodlbauer, der Rechtsvertreter des Jugendlichen, gegenüber der APA die jüngsten Entwicklungen. Der 17-Jährige, der im Zusammenhang mit dem nicht umgesetzten terroristischen Vorhaben am Hauptbahnhof sieben Monate in U-Haft gesessen war und damit den größten Teil des über ihn im Frühjahr verhängten Strafteils bereits abgesessen hatte, war nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in einer betreuten WG untergekommen, die sich um die Resozialisierung Jugendlicher kümmert.
Dort hatte er nach Informationen der APA allerdings nicht nur Zugang zu einem Handy, sondern auch zu einem Laptop. Mit diesen Mitteln dürfte er weiter Propaganda für den IS betrieben und entsprechende Inhalte verbreitet haben. Am vergangenen Mittwoch verschwand er aus der WG und wurde als abgängig gemeldet. Beamte der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sollen ihn dann wieder "eingefangen" haben.
Video in Tarnkleidung und mit Kampfmesser
Auf den 17-Jährigen war die DSN erstmals am 10. September 2023 - einen Tag vor dem geplanten Anschlag am Hauptbahnhof - aufmerksam geworden. Der jugendliche IS-Anhänger, der sich innerhalb weniger Monate übers Internet radikalisiert hatte, kündigte in einem einschlägigen Telegram-Kanal anderen Sympathisanten der radikalislamistischen Terrormiliz in holprigem Englisch an: "I make inshallah attacke in vienna." Auf die Nachfrage, wann er "es" machen werde, antwortete er später: "Im make today", wobei er ein Foto von sich in den Chat stellte, das ihn mit einem Kampfmesser, Handschuhen und in Tarnkleidung vor einem auf die Wand gesprühten IS-Logo zeigte.
Das teilte ein ausländischer Partnerdienst der DSN mit - da in Österreich die aktuelle Rechtslage die Überwachung von Messengerdiensten nicht erlaubt, hätten die heimischen Verfassungsschützer von den Absichten des 17-Jährigen wohl kaum aus Eigenem erfahren. Nach einer fieberhaften Suche nach dem Burschen konnte dieser vor einer Moschee im zweiten Wiener Gemeindebezirk festgenommen werden.
Bei seinen folgenden Einvernahmen berichtete der 17-Jährige dann recht freimütig von seinen terroristischen Absichten. Er bezeichnete den IS als "die religiöseste Gruppe der Welt", die "alles richtig" mache. Deren Mitglieder würden "für die Wahrheit kämpfen". Er gab zu, er habe einen Anschlag "genauso" wie der Attentäter vom 2. November 2020 machen wollen, "wenn ich die Möglichkeiten, also die Waffen gehabt hätte". Aufgrund seines jungen Alters habe er aber keine Schusswaffe bekommen und sich daher um 20 Euro ein Messer mit einer Klingenlänge von 16,5 Zentimeter besorgt. Damit wollte der IS-Jugendliche gemäß seiner Verantwortung am Hauptbahnhof mehreren Menschen in den Hals stechen, wie der Verfassungsschutz in einem Anlassbericht festhielt. "Es hätten für mich mehr als drei oder vier Opfer sein sollen. Diese sollten nicht nur verletzt sein, sondern getötet werden. Ich wollte dadurch zeigen, dass Menschen Allah fürchten sollen. Ich hätte, während ich die Personen erstochen hätte, auch Allahu Akbar (Gott ist groß, Anm.) gerufen, damit alle wissen, warum sie sterben. Durch dieses Töten komme ich ins Paradies, dort ist es sehr schön und ich entgehe der Streiterei mit meinem Vater", gab der Bursch zu Protokoll. Er habe "keinen Zorn auf die Menschen allgemein, aber Polizisten, Soldaten und Homosexuelle sollten sterben", merkte der IS-Anhänger noch an.
45 Minuten dürfte sich der Angeklagte am Hauptbahnhof aufgehalten haben, ehe er unverrichteter Dinge abzog. Es dürfte ihn schlicht der Mut verlassen haben, seine Pläne in die Tat umzusetzen.
Verurteilt wurde er im Frühjahr, weil er IS-Propagandamaterial gesammelt und geteilt hatte. Der 17-Jährige hatte sich in der Verhandlung reumütig geständig gezeigt und vorgegeben, seine radikale Gesinnung abgelegt zu haben: "Der IS ist vollkommen falsch."
Wie sich jetzt zeigte, dürfte es sich dabei allerdings um ein bloßes Lippenbekenntnis gehandelt haben. Auch das Programm der Deradikalisierungsstelle, das der Jugendliche auf gerichtliche Weisung hin in Anspruch nehmen musste, dürfte keine Wirkung entfaltet haben. Überraschung war das aber wohl keine. In der Zelle des 17-Jährigen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt stieß man im März bei einer Durchschau auf IS-Schriftzeichen und -Symbole. Er hatte seine Matratze und den Lattenrost mit dem Glaubensbekenntnis des IS bekritzelt. Einem psychiatrischen Gutachten zufolge weist der 17-Jährige einen IQ von 94 und eine sprachliche Minderbegabung auf. Zurechnungsfähigkeit war nach Ansicht des Sachverständigen aber zuletzt gegeben.
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