Ein Windloch namens Hauptbahnhof
Ein älterer Herr fährt die Rolltreppe hoch, instinktiv hebt er den Arm und hält seinen Hut fest. Er tut gut daran, denn auf dem Bahnsteig empfängt ihn ein heftiger Windstoß.
Der Hauptbahnhof ist das neue architektonische Wahrzeichen der Bundeshauptstadt, viele Wiener kennen ihn vor allem wegen des Windes auf den Bahnsteigen – oder wie es eine ältere Dame formuliert: "Es zieht wie in einem Vogelhäusl." Sie trauert noch ein wenig dem alten Südbahnhof nach. "Da hat es nicht so geblasen."
Der Hauptbahnhof soll Wien ins neue Bahn-Jahrhundert katapultieren. Die alten Kopfbahnhöfe wurden durch einen modernen Durchgangsbahnhof ersetzt, der Wien zu einer internationalen Bahndrehscheibe macht. 850 Züge halten hier bereits täglich auf zehn Bahnsteigen. Bis zu 1000 sollen es in Zukunft sein. Knapp 150.000 Passagiere werden dann täglich am Hauptbahnhof umsteigen.
Rautendach
Doch durch die offene Konstruktion des Rautendachs bläst der Wind von Nordwest kommend über die Bahnsteige. Schon bei einem kurzen Aprilschauer wird es auf den Bahnsteigen unangenehm. Schnee und Regen landet vor allem im hinteren Teil auf den Bahnsteigen.
Bei Wetterextremen, wie am 9. Februar, ist auch der vordere Teil betroffen, wie die Bilder beweisen. Da hilft auch das schönste Rautendach wenig. Viele Bahngäste fordern daher beim KURIER-Lokalaugenschein Nachbesserungen.
Die ÖBB verteidigen ihr Prestige-Projekt. "Der Bahnhof musste schon wegen der U1 in dieser Ausrichtung errichtet werden", sagt ÖBB-Sprecher Michael Braun. "Natürlich haben wir die Windströmungen berücksichtigt." Daher sei auch das Dach im Nordwesten niedriger und werde zum Osten hin wieder höher, um den Wind abzuleiten. Auch sei das Areal rund um den Bahnhof noch nicht vollständig fertiggestellt. "Es werden auch noch Hochhäuser im Norden des Bahnhofs errichtet", sagt der Sprecher. Dem Wunsch vieler Bahngäste, wenigstens die Seiten zu schließen, erteilt die ÖBB eine Absage. "Wir können die Seiten aus brandschutztechnischen Gründen nicht komplett schließen, selbst wenn wir wollten", sagt Braun. Abgesehen davon würde das nur zu einem Kamineffekt führen, der Wind würde also noch stärker durch den Bahnhof blasen.
Kein Planungsfehler?
"Einen Planungsfehler sehen wir dennoch nicht", sagt Braun. Der KURIER versuchte auch die Architekten des Rautendachs, Albert Wimmer und Ernst Hoffmann, zu erreichen. Trotz mehrmaliger Nachfrage in ihren Büros waren beide nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Generell ist der Bahnhof laut ÖBB so konstruiert, dass man sich ohnehin nur kurz auf den Bahnsteigen aufhalten muss. In der Ebene unter den Bahnsteigen gibt es 650 Sitzplätze für wartende Fahrgäste. Der Fußboden ist beheizt, auf großen Monitoren wird die Abfahrtszeit der Züge sekündlich aktualisiert.
Wer dann zum Zug geht, muss also nur seinen Hut festhalten.
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