Wien: Chaos und Ausfälle auf S-Bahn-Stammstrecke
Auf Gleis 3 und Gleis 4 stehen am Bahnhof Meidling zwei S-Bahn-Garnituren, "Nicht einsteigen", steht drauf, die Anzeigetafel zeigt an, dass die Züge ausfallen, ein Pärchen schaut ratlos auf die Anzeigetafel, ein Mann mit einem Fußball in der Hand schüttelt nur den Kopf: "Da geht gar nichts." Immer wieder drücken Fahrgäste ungläubig auf die Knöpfe der Bahn, um einsteigen zu können bis sie realisieren: Es geht nicht.
Dann setzt sich die Garnitur auf Gleis 4 in Bewegung. Ohne Fahrgäste. Sie wird für heute wohl in der Remise abgestellt.
Wenig später fährt der nächste Zug auf Gleis 4 vom Süden kommen ein. Diesmal verlässt der Schaffner den Regionalzug REX3 Richtung Praterstern schon in Meidling, ebenso steigen alle Fahrgäste aus. Die Passagiere, die in Meidling noch eingestiegen sind, holt er noch aus dem Zug heraus. Wieder gibt es ratlose Gesichter.
Gute Nerven sind am Sonntag für alle Öffi-Fahrer gefragt, die auf die S-Bahn-Stammstrecke angewiesen sind. Denn seit der Früh bis voraussichtlich 18.30 Uhr sind Zugfahrten zwischen den Stationen Wien-Meidling und Wien-Praterstern nur sehr eingeschränkt möglich.
ÖBB-Infomitarbeiter sind am Sonntagvormittag in Meidling keine zu finden, offenbar ist man der Meinung, dass Durchsagen und Anzeigen ausreichen müssen. Was es nicht ganz trifft. Ein Mitarbeiter der Wiener Linien dreht gerade seine Runde, wird häufig um Informationen gebeten. "Wir haben das auch erst in der Früh mitbekommen, dass die Schnellbahnen nicht fahren. Aber die Leute können eh mit der U-Bahn fahren", erklärt er den Hilfesuchenden. Dass die Sache problematisch ist, ist ihm klar: "Wenn mir so was in Paris passiert, wäre es auch blöd."
In der offiziellen Info der ÖBB heißt es: "Aktuell verkehrt nur die Linie S 7 (Flughafenschnellbahn) zwischen Wien Praterstern und Fischamend und die Linie S 80 zwischen Wien Hütteldorf und Wien Aspern Nord mit Haltausfall in Wien Matzleinsdorferplatz." Mit dem gültigen ÖBB-Ticket könne man zwischen Meidling und Praterstern aber auf die Verkehrsmittel der Wiener Linien umsteigen. Der Grund für die Ausfälle: Eine Verzögerung im Arbeitsablauf.
ÖBB-Personalmangel als internes Diskussionsthema
In Lokführergruppen ist der Personalmangel auch heute wieder ein großes Thema, als Grund für das Chaos wird akuter Personalmangel genannt. So heißt es in einer Nachricht in der Whatsapp-Gruppe: "Verzögerung im Arbeitsablauf = würd meinen des wird der Standardtext für wenig Rotkäppchen (Fahrdienstleiter, Anm.)." Ein anderer schreibt: "Es dürfen heute auch keine Triebfahrzeuge getauscht werden am Hauptbahnhof, auch am Stellwerk sind viel zu wenig Leute." Und: "Naja, frei bekommst bei uns am Hauptbahnhof nicht, außer du gehst Krankenstand. Wird mittlerweile sogar so an die Triebfahrzeugfahrer kommuniziert."
Diskutiert wird aktuell auch, ob die Probleme bis Montag behoben werden können.
ÖBB gibt sich zerknirscht
Am Sonntag Nachmittag ist man bei den ÖBB jedenfalls überzeugt: Ab 18.30 Uhr, mit Beginn der nächsten Fahrdienstleiterschicht, könne der vollständige Fahrbetrieb wieder aufgenommen werden, von Problemen am Montag könne keine Rede sein, versichert ein Sprecher der Bundesbahnen.
Aber wie kann es sein, dass in einem Betrieb wie den ÖBB plötzlich einer der wichtigsten Strecken, nämlich die Stammstrecke zwischen Meidling und Praterstern, nicht mehr bedient werden kann? "Plötzliche Verletzungen und Krankheitsfälle bei den Fahrdienstleitern haben in der Urlaubszeit dazu geführt, dass die Betriebsführung auf diesem Teil der Strecke nicht möglich war", erklärt der ÖBB-Sprecher.
Das sei bisher noch nie vorgekommen, beteuern die ÖBB. Bei den Fahrdienstleitern handle es sich "um hochspezialisierte Fachkräfte", die nicht einfach so von Fahrdienstleitern anderer Streckenabschnitte ersetzt werden könnten. Für die ÖBB sei es "sehr unangenehm, dass die Stammstrecke am Sonntag nicht bedient werden" konnte, bedauert der Sprecher, dafür gebe es auch eine große Entschuldigung.
Am Abend konnten der Fahrbetrieb dann wieder wie versprochen aufgenommen werden. Wegen der früheren Störung sei es noch zu Ausfällen und Verspätungen gekommen, aber man sei bemüht, die planmäßigen Verbindungen wiederherzustellen, hieß es vonseiten der ÖBB.
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