"Er wollte Blutbad anrichten": Urteil in IS-Prozess um Westbahnhof gefällt

PROZESS UM ANSCHLAGSPLÄNE AM WIENER WESTBAHNHOF
15-jähriger IS-Fanatiker radikalisierte sich via TikTok und wollte Terroranschlag auf Wiener Westbahnhof verüben: Zwei Jahre teilbedingt, nicht rechtskräftig.

Zusammenfassung

  • 15-jähriger Wiener gestand Terror-Anschlagspläne auf Westbahnhof für Sommer 2025; radikalisierte sich über TikTok.
  • Der Angeklagte plante, Waffen zu beschaffen; bezog online Materialien für Bombenbau, aber keine Waffenlieferung erhalten.
  • Anklage umfasst Vorbereitung einer terroristischen Straftat und Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag am Wiener Landesgericht der Prozess gegen einen 15-jährigen mutmaßlichen Anhänger der radikalen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) begonnen, der einen gegen den Wiener Westbahnhof gerichteten Anschlag im Sinn gehabt und einer IS-Kontaktperson dessen Umsetzung für den Sommer 2025 zugesichert haben soll.

 "Er wollte ein Blutbad anrichten", sagte der Staatsanwalt. Der Angeklagte war zu den Terror-Vorwürfen geständig.

"Stehe zu meinen Fehlern"

"Ich stehe zu meinen Fehlern", sagte der körperlich schmächtige 15-Jährige, der mit schulterlangen schwarzen Haaren und in einem hellblauen Hemd die Fragen des vorsitzenden Richters beantwortete.

Er hatte im Beratungszimmer in Begleitung mehrerer schwerbewaffneter Kräfte der Justizwache Einsatzgruppe (JEG) auf den Beginn der Verhandlung gewartet, um so einem Großaufgebot an Medienschaffenden zu entgehen, die sich vor dem Saal versammelt hatten.

"Wir haben es ungeachtet des kindlichen Angeklagten mit einer sehr, sehr hohen Gewaltbereitschaft zu tun", betonte der Staatsanwalt. Der damals 14-Jährige, dessen Eltern keine streng gläubigen Muslime sind, hätte sich im vergangenen Sommer über TikTok radikalisiert. Der Staatsanwalt sprach in diesem Zusammenhang von einem "traurigen Beispiel für Online-Radikalisierung, wie sie im Buche steht".

Nachdem er sich dem IS zugewandt und im Internet eine Anleitung zum Bombenbauen gefunden und dazu handschriftliche Notizen angefertigt hatte, bestellte sich der Bursche im November 2024 über eine deutsche Online-Börse eine Schusswaffe.

Waffe wurde nicht geliefert

Konkret wollte er eine Glock 17 oder eine Glock 19 besitzen. "Die ist Gott sei Dank nicht geliefert worden", führte der Staatsanwalt aus.

Aufgrund dessen hätte der Angeklagte im Jänner den geänderten Plan gefasst, einem Verkehrspolizisten die Dienstwaffe zu entreißen und den Beamten mit einem Messer zu erstechen. Der Schüler hatte laut Anklage zu Hause mehrere Kampfmesser liegen, die zu besorgen offenbar kein schwieriges Unterfangen war. Mit der Waffe des getöteten Polizisten wollte der Bursch laut Anklage Passanten bzw. Ungläubige töten.

Der 15-Jährige bestätigte das in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er habe die Absicht gehabt, "das in meiner Wohnumgebung zu machen". In diesem Zusammenhang nannte der Angeklagte eine konkrete Polizeiinspektion, die "ums Eck" liege.

"Primäres Anschlagsziel": Westbahnhof

Davon rückte der Schüler ab, nachdem er in der zweiten Jänner-Hälfte über einen einschlägigen Chat in Kontakt mit einem zwar namentlich bekannten IS-Kontaktmann gekommen war, dessen Identität jedoch noch nicht ausgeforscht werden konnte. Von diesem Zeitpunkt an sei der Westbahnhof als "primäres Anschlagsziel" in den Fokus gerückt, stellte der Staatsanwalt fest.

Der Ankläger skizzierte den Teenie als einen immens gefährlichen und gewaltaffinen IS-Fanatiker. Er sprach von einem "verheerenden Gesamtbild", das der Angeklagte abgebe.

Angeklagter: "Hatte keinen Mut dazu"

"Es war ein sehr großer Fehler", meinte der Angeklagte zu den Anschlagsplänen. Auf die Frage des Richters, ob er bereit gewesen wäre, für seine Pläne zu sterben, erwiderte der 15-Jährige: "Ich wäre nicht bereit. Ich hatte keinen Mut dazu. Ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe."

Der Schüler war nach länderübergreifenden Ermittlungen am 10. Februar in der elterlichen Wohnung in Währing festgenommen worden.

Verteidigerin Anna Mair begrüßte das in ihrem Eröffnungsplädoyer. So sei ihr Mandant von seinem "Hass auf alles" und der "Spirale", in der er sich befunden hätte, weggekommen.

"Er war zu feig"

Laut Anklage hatte der 15-Jährige wenige Tage vor seiner Festnahme dem noch auszuforschenden IS-Vertreter bekräftigt, den Anschlag im Sommer durchzuführen. "Umsetzen wollte er das nicht unmittelbar. Erst im Sommer. Er war zu feig", sagte Mair dazu.

Der Bursch hatte sich seit August 2024 das Gedankengut des IS zu eigen gemacht haben. Nachdem er sich im Internet Pläne zur Herstellung von Sprengstoff und Bomben beschafft hatte, erwarb er in einem Baumarkt dafür erforderliche Utensilien und konsumierte Online-Tutorials, um mehr über die Herstellung von explosiven Stoffen zu erfahren.

Das Urteil: Zwei Jahre teilbedingte Haft

Tatbestandsmäßig werden dem 15-Jährigen in erster Linie die Vorbereitung einer terroristischen Straftat - nämlich ein Verbrechen mit Sprengmitteln - im Sinne des § 278c StGB, terroristische Vereinigung, die versuchte Ausbildung für terroristische Zwecke, die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat und das Verbrechen der kriminellen Organisation vorgeworfen. 

Das Urteil: Zwei Jahre Haft, acht Monate davon unbedingt, nicht rechtskräftig.

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