Auf Tiktok radikalisiert: 14-Jähriger soll Anschlag in Wien geplant haben

Ein Daumen drückt auf dem Touchscreen auf Tiktok.
Anschlagspläne wurden bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Auch dieser Jugendliche dürfte im Internet indoktriniert worden sein.

Im Zimmer Skizzen von Anschlägen mit Messern und Macheten auf einem Bahnhof, Utensilien für den Bau einer Bombe im Kellerabteil versteckt: Wie das Innenministerium (BMI) am Mittwoch bekannt gab, soll ein Anschlag auf den Wiener Westbahnhof vereitelt worden sein. Der am 10. Februar festgenommene Verdächtige: ein 14-jähriger österreichischer Staatsbürger mit türkischen Wurzeln.

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hatte zuvor Hinweise erlangt, dass ein zunächst unbekannter Anhänger einer terroristischen Vereinigung auf mehreren Tiktok-Profilen Storys und Videos mit islamistischem Gedankengut verbreiten würde. Nachdem seine Identität festgestellt werden konnte, ordnete die Staatsanwaltschaft Wien seine Festnahme an. Das gesichtete Material bei der Hausdurchsuchung, unter anderem besagte Skizzen, deuteten auf Anschläge hin.

Es war also wieder die Social-Media-Plattform Tiktok, bei der sich der Jugendliche radikalisiert haben dürfte. Dass diese Form der Indoktrination insbesondere bei jungen Menschen um sich greift und sie zu gefährlichen Vorhaben animiert, ist nicht nur ein subjektiver Eindruck. 

Erst 19 Jahre alt war auch Beran A., der es im Sommer auf das Taylor-Swift-Konzert abgesehen haben soll. Auch er soll von radikalen Influencern beeinflusst worden sein, ebenso der 23-jährige mutmaßliche Attentäter von Villach.

Algorithmus trägt zur raschen Radikalisierung bei

Doch wie passiert das? Der Einstieg könne ganz harmlos sein, beschreibt Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark. Wenn etwa ein Jugendlicher im Netz danach frage, was denn „haram“ sei, also im weitesten Sinn verboten. „Und dann werden bald Hasspredigten hereingespült“ – ungefiltert. Denn der Algorithmus lerne und biete immer mehr und immer extremere Inhalte an, speziell auf Tiktok gut verpackt in scheinbar lustigen Videos charismatischer Personen.

Das ist der eine Teil – leicht zugängliche Information einer ganz bestimmten Seite, islamistischer Hetzer nämlich. Die andere Seite sei die zunehmende Vereinsamung Jugendlicher, die sich immer mehr in die digitale Welt zurückziehen, mahnt Grabovac: „Heute funktioniert Radikalisierung auch ausschließlich online.“ Wie etwa bei jener 14-Jährigen, die im Oktober in Graz vor Gericht stand und zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (nicht rechtskräftig): „Ich war den ganzen Tag am Handy“, schilderte sie. Und habe sich Tiktok-Videos reingezogen – auch solche, die zum Terror aufriefen.

Die Muster wiederholen sich

Ein Aufruf, dem sie dann auch folgen wollte: am Grazer Jakominiplatz wollte die Schülerin mit Messern auf Ungläubige einstechen. Zuvor schwor sie dem IS die Treue – das Video wurde auf ihrem Mobiltelefon gefunden, ein sich wiederholendes Muster. Auch der mutmaßliche Attentäter von Villach hatte eine Art Beitrittserklärung per Video auf seinem Handy. Während die 14-Jährige in Graz durch Tipps ausländischer Geheimdienste vor der Tat gefasst wurde, gab es keine Hinweise auf den 23-Jährigen in Villach.

Verschlüsselte Kommunikationskanäle und rechtliche Hürden würden zudem die Arbeit der Sicherheitsbehörden erschweren, heißt es beim BMI, da man erst nach Sicherstellung eines Geräts auf relevante Inhalte zugreifen könne.

Hassprediger kommen via Tiktok ins Wohnzimmer

Früher, in der ersten Welle der in Österreich in Erscheinung tretenden IS-Anhänger, geschah die Verhetzung noch durch Hassprediger in Hinterhofmoscheen. Jetzt sind es soziale Medien – und immer wieder fällt den Experten dabei Tiktok auf. „Wir brauchen rechtliche Rahmenbedingungen dafür“, fordert Grabovac, „auch wenn es uncool klingt. Aber als ich eine Jugendliche war, konnte ich auch nicht in eine Videothek gehen und einfach so Pornos mitnehmen. Dafür gab es Schranken und Altersbeschränkungen. Aber heute werden Hasspredigten ins Wohnzimmer gespült.“

Experten fordern Schranken für soziale Medien

Deshalb fordert die Expertin auch Schranken für Tiktok innerhalb der EU; wie, müsste man sich mit Providern überlegen: Die sozialen Medien müssten Inhalte prüfen, bevor sie veröffentlicht werden.

Weiterentwicklung fordert auch DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner: Die aktuelle Festnahme zeige zwar die Wichtigkeit einer funktionierenden Terrorismusbekämpfung, aber „die Ermittlungsmethoden der Sicherheitsbehörden müssen ständig an die fortschreitende Digitalisierung angepasst werden, um weiterhin effizient arbeiten zu können“.

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