Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert

Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert
Stammgäste und Mitarbeiter des Schweizer Gastronomen wollen seine positive Ausstrahlung fortleben lassen.
Von Uwe Mauch

Eigentlich ist diese Geschichte schrecklich, todtraurig, auch destruktiv: „Messermord in Wien – Opfer war beliebter Fondue-König“: So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen vor wenigen Tagen.

Ein Wirt wird in der Innenstadt von Wien Opfer seiner Großzügigkeit. Ausgerechnet jener junge Mann, dem er intensiv geholfen hat, in Wien Fuß zu fassen, bringt ihn um.

Diese Geschichte ist aber noch nicht zu Ende erzählt. Und auch wenn das alles den wunderbaren Hans Schmid nicht wieder lebendig macht, lässt es seine absolut positive Ausstrahlung weiterleben.

Da ist zunächst das Ehepaar Mino, dem der Verstorbene nach seinem Pensionsantritt vor wenigen Wochen noch geholfen hat, das Lokal „Zum Kuckuck“ zu übernehmen und neu einzurichten. Eigentlich hatte der 70-Jährige vor, als Pensionist in die Schweiz zurückzugehen, in ein Dorf im Berner Oberland.

Sepideh Mino, die Wirtin, erzählt in ihrem soeben erst eröffneten Restaurant in der Himmelpfortgasse: „Eigentlich wollte  er sein Elternhaus renovieren. Und er wollte eine Kuh kaufen, die sollte ihn weiterhin auf Trab halten. Aber dann hat er zu uns gesagt: Wisst ihr was, ihr seid mir sympathisch. Ich bleibe noch in Wien, bis ihr alles gelernt habt und bis euer Lokal richtig gut läuft.“

So war er, der Hansi, wie ihn Sepideh Mino liebevoll nennt. Doch so weit sollte es nicht mehr kommen. Als ein Dankeschön an ihren Mentor werden die Minos in ihrem Lokal auch Fondue anbieten – nach seinen Rezepturen und mit seinen Käselieferanten.

Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert
Er war auch ihr Freund

Hier tritt nun der  „Schweizer Stammtisch  Wien“ auf den Plan. Als die Eidgenossen hören, dass der Spirit ihres Landsmanns im Lokal „Zum Kuckuck“ fortleben soll, entscheiden sie spontan, ihre monatlichen Treffen künftig im „Kuckuck“ abzuhalten.

„Wir waren gut 15 Jahre lang beim Hans, immer am ersten Donnerstag des Monats“, erzählt Erwin Greiner, Gymnasialdirektor im Ruhestand, bei einer ersten Zusammenkunft am neuen Ort. „Er war  unser Wirt, er war auch unser Freund. Es ist für mich unbegreiflich, dass dieser hochanständige Mann ermordet wurde.“

Nadia Brülisauer nickt. Sie erinnert sich noch gut an die Auftritte des Landsmanns als „Samichlaus“, als Nikolo, vor aufgeregten Kindern der Schweizer Community: „Diese Rolle war ihm auf den Leib geschnitten.“

Das sieht auch Martin Roth so, der heuer in die Fußstapfen des Schwyzer Nikolaus treten wird. Auch er findet nur gute Worte für das Opfer: „Der Hans war immer zu einem Spaß aufgelegt. Oft hat er sich zwischen zwei Fonduegängen zu uns an den Tisch gesetzt und einen Witz erzählt. Er hat so viele Witze erzählt, dass ich mir nicht alle gemerkt habe.“

Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert
Er war ihr bester Chef

Dabei war der Schweizer an den Schweizer Abenden ein bisschen angespannt, erzählt Veronika Čikovska. „Weil er für seine Landsleute immer etwas Besonderes zaubern wollte.“ Erst mit der Zeit habe er sich entspannen können.

Auch für die ehemalige Mitarbeiterin des „Fondue-Königs“ in seinem Lokal in der Blutgasse ist die Bluttat absolut unverständlich: „Er war der beste Chef, den ich hatte.“

Gerne erinnert sie sich: „Er konnte wirklich mit jedem. Manchmal hat er zu wildfremden Gästen gesagt, dass das jetzt ,auf Haus geht’. Es gab auch Momente, wo wir nicht einer Meinung waren. Wir haben ja über alles mögliche geredet. Aber er war niemals beleidigend. Und am Ende eines längeren Arbeitstages haben wir mit ihm auch angestoßen und ein Gläschen miteinander getrunken.“

Zunächst wollte die junge Mutter einen Schlussstrich unter ihre berufliche Karriere in der Gastronomie setzen. Doch nach dem ersten Schock leistete sie mit ihren beiden Kollegen im Lokal von Hans Schmid eine Art Rütli-Schwur: „Wenn der Hans den Minos nicht mehr helfen kann, werden wir hier den Part vom Hans übernehmen.“

Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert
Wer an den „Fondue-König von Wien“ nach seiner Ermordung erinnert
Er war auch ihr Mentor

Veronika Čikovska nennt ihre neue Chefin Sisi. Für sie ist völlig klar: „Die Sisi ist wie der Hans. Das ist kein Trost, und es ist doch ein Trost.“ Gesagt, getan. Seit Freitag wird das neue Lokal mit der altbekannten Crew geführt.

Zum Kuckuck! Sepideh Mino erinnert sich mit ihrem Mann Meran: „An dem Tisch dort drüben ist er vor drei Wochen noch gesessen. Er hat einen Kaffee getrunken und mit voller Konzentration unsere Speisekarte gelesen und Fehler ausgebessert.“

Erwin Greiner nippt an seinem Espresso. Da fällt ihm wieder jener Schüler ein, der schon 16 Jahre alt war und die Pflichtschule nicht und nicht abschließen konnte, weil er sich nicht genügend motivieren konnte.

Der pensionierte Direktor erzählt: „Wir haben den Hans gefragt, ob der junge Mann einen Tag bei ihm im Lokal schnuppern darf. Und der Hans hat sofort zugesagt.“ Wie gesagt, dieser Artikel hat kein Happy End. Oder doch? „Dem Schüler ist dank Hans endlich der Knopf aufgegangen. Er konnte wenig später die Schule abschließen. Heute arbeitet er als Teamleiter in einem Wiener Großbetrieb.“