Weltkulturerbe: Der Würstelstand ist Wienern nicht wurscht

Weltkulturerbe: Der Würstelstand ist Wienern nicht wurscht
Er ist eine traditionelle Wiener Institution – ein Ort des Essens, Plauderns und Zusammenkommens. Ein Lokalaugenschein zeigt, wieso Würstel mehr als nur eine Mahlzeit sind.

Schon um 10 Uhr vormittags brutzeln die Würstel bei „Leos Würstelstand“ am Döblinger Gürtel auf dem Grill. Deftiges Frühstück oder verfrühtes Mittagessen? Wie auch immer: Bei Vera Tandl und ihrem Sohn Patrick Tandl gibt es die Delikatesse zu fast jeder Tageszeit.

Inhaber Patrick Tandl ist einer der Initiatoren des Vereins der Wiener Würstelstände. Für ihn und seine Branchenkollegen gibt es am Donnerstag Grund zu feiern: Denn die Wiener Würstelstände könnten bald zum Weltkulturerbe gehören. Abgesehen vom Wiener Grant und den Kaffeehäusern ist die Stadt  nämlich vor allem für eines bekannt  – ihre Würstel. 

Sie sollen, wenn es nach Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck geht, in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen werden. 

Am Mittwoch unterschrieben die beiden eine Unterstützungserklärung für das Vorhaben. „Die Würstelstände gehören zur Identität und Geschichte der Stadt. Sie sind auch ein sozialer Knotenpunkt und stärken die Gemeinschaft und das Miteinander in Wien“, sagte der Bürgermeister.

Weltkulturerbe: Der Würstelstand ist Wienern nicht wurscht

Und mit dieser Meinung ist er nicht allein: „Das gehört sich so. Egal ob Wiener oder Touristen, die Leute stehen jeden Tag Schlange bei uns, weil es so eine Spezialität ist“, erzählt Martin, Angestellter vom Würstelstand „Bitzinger“. Der Betrieb von Gastronom Josef Bitzinger bei der Oper, der nicht zuletzt als beliebte Anlaufstelle für Opernball-Gäste gilt, ist auch  Donnerstagmittag gut besucht.

„Ich bin jetzt in Pension und  nicht mehr so viel unterwegs, komme aber immer noch ein paar Mal im Monat zum Würstelstand“, sagt ein Besucher, der gerne anonym bleiben möchte. Früher sei es praktisch gewesen, dass man zu jeder Tageszeit eine Mahlzeit erhalten hat, jetzt locke ihn der „Gusta“ her. 

Weltkulturerbe: Der Würstelstand ist Wienern nicht wurscht

Jeder ist willkommen

Matthias Bieber, Exil-Wiener in Liechtenstein, kann ein Lied davon singen. Denn bei jedem Heimatbesuch ist ein Stopp am Würstelstand Pflicht: „Die Käsekrainer gehen mir dort ab, es gibt nichts Vergleichbares zu den Würstelständen.“ 

Deshalb müsse man sie unbedingt schützen, pflichtet ihm sein Freund Iwan Ackermann bei. „Man kommt hier leicht ins Gespräch mit anderen Menschen. Am Würstelstand sind alle gleich“, sind sich die beiden  Würstelstandbesucher einig.

Etwas anders sieht das Hannes Sampl. Er holt sich mittags zwar gern ein Würstel, findet es aber nicht notwendig, die Stände zum  Weltkulturerbe zu machen: „Wichtiger fände ich es, dass traditionelle Wiener Gasthäuser dort aufgenommen werden, da die Tradition dahinter einzigartig ist.“

Aber auch hinter den Würstelständen steckt eine reichhaltige Tradition, wie Vera Tandl im Gespräch mit dem KURIER erzählt. 

Ältestes Fastfood

„Unseren Stand gibt es schon seit fast hundert Jahren. Wir sind quasi Wiens ältestes Fastfood, deshalb freut es uns enorm, dass es diesen Zuspruch für das Weltkulturerbe gibt.“

Ihr Sohn Patrick gilt gemeinsam mit René Kachlir vom Würstelstand „Zum Scharfen René“ am Schwarzenbergplatz und Patricia Pölzl mit ihrem „eh scho wuascht“ beim Zentralfriedhof  als eine der treibenden Kräfte im Kampf ums Würstelerbe. 

Zusammenhalt in der Branche

15 Mitglieder hat der Verein der Wiener Würstelstände aktuell, so Patrick Tandl. „Es ist unmöglich als Einzelkämpfer, deshalb ist es wichtig, dass wir zusammenhalten.“ 

Man wolle sich in der Branche gegenseitig unterstützen. „Es ist oft schon schwer genug, da wir nur befristete Genehmigungen für die Verkaufsorte haben und  die Kosten auch nicht weniger werden“, sagt Patrick Tandl. 
Die formelle Bewerbung zur Aufnahme der „Wiener Würstelstandkultur“ in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes Österreichs wird in den nächsten Tagen eingebracht.

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