Weihnachtsbeleuchtung: Unternehmer in Wien im moralischen Dilemma
So idyllisch wie der Advent am Wolfgangsee, mit Feuerschalen und Schwedenfeuern, wird jener in Wien heuer eher nicht. „Aber es ist auch schwer, in Wien ein Feuerchen zu entzünden“, sagt Judith Edelmann, Obfrau der IG Kaufleute Josefstädter Straße.
Weniger romantisch, als viele sich das vielleicht wünschen würden, wird es aber nicht nur wegen fehlender Feuerschalen: Nachdem Stadt und Wirtschaftskammer die Weihnachtsbeleuchtung am Ring ausfallen lassen, überlegen das nun auch einige Einkaufsstraßen.
Wegen Krieg, Teuerung und Energiekrise fragen sich immer mehr Geschäftsleute, ob das Anbringen von Weihnachtsbeleuchtung heuer überhaupt angebracht ist. In der Neubaugasse soll die Entscheidung für oder gegen die Lichter noch diese Woche fallen. In der Josefstädter Straße lässt man sich bis Oktober Zeit.
Da wie dort geht es ausnahmsweise weniger um die Kosten der Beleuchtung. Es geht um die Symbolik in schwierigen Zeiten – und darum, moralischen Ansprüchen gerecht zu werden.
70 Prozent dafür
„Manche Menschen können sich heuer nichts leisten – und wir protzen mit Weihnachtslichtern?“ Das, sagt Yasemin Demirci, Obfrau der IG Kaufleute Wollzeile, sei das moralische Dilemma, in dem einige Geschäftstreibende der Wollzeile in den vergangenen Wochen gesteckt seien.
Die Kaufleute waren sich uneins, was das Anbringen der Lichter betrifft. Denn soll man andererseits – wenn „eh schon alles so schlimm ist“ – nicht wenigstens ein paar Weihnachtslichter aufhängen? Fürs Gefühl? Wo doch der stationäre wieder einmal gegen den Onlinehandel bestehen muss? Quasi: Wo ein Schatten, da ist auch ein (Weihnachts-)Licht?
Weil die Meinungen der Geschäftsleute so auseinandergehen, führte die IG Kaufleute Wollzeile dieses Jahr erstmals eine Mitgliederbefragung zur Weihnachtsbeleuchtung durch. Das Ergebnis liegt seit gestern, Dienstagabend, vor: 70 Prozent sprachen sich für die Weihnachtsbeleuchtung aus – wenngleich mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Zahlen alle Betriebe mit (für die Weihnachtslichter sowie deren Montage, Demontage und Lagerung müssen die Betriebe selbst aufkommen, Anm.) werden die Lichter zwischen 18. November und 8. Jänner täglich von 15 bis 22 Uhr (statt wie bisher von Mitte November bis Mitte Jänner von 13 bis 24 Uhr) hängen.
Die Wollzeile kommt damit der Empfehlung der Wirtschaftskammer nach. In einer Krisensitzung hat man zuletzt über die Weihnachtsbeleuchtung beratschlagt. Doch so lange wie von der Kammer angedacht, will manche Straße gar nicht leuchten.
In der Neubaugasse entscheidet die Generalversammlung der Geschäftsleute kommenden Donnerstag, 15. September, ob die Beleuchtung überhaupt installiert wird oder ob heuer aus guten Gründen darauf verzichtet wird.
Stimmen die Mitglieder für Weihnachtsbeleuchtung, wird sie jedenfalls täglich kürzer und nur bis 6. Jänner leuchten, sagt Kurt Wilhelm, Obmann der Neubaugassen-Kaufleute.
Nur im Advent
In der Josefstädter Straße, wo Kaufleute-Obfrau Judith Edelmann derzeit die Mitglieder über die Für und Wider zur Weihnachtsbeleuchtung befragt, wird – sollten sich die Kaufleute gemeinsam für die Lichter aussprechen – jedenfalls noch kürzer gehängt.
„Wenn wir starten, dann erst mit Advent im Dezember und maximal bis 6. Jänner“, sagt Edelmann. Die Entscheidung soll bis Ende Oktober fallen.
Entgegen der weitläufigen Meinung halten sich die Stromkosten für die Weihnachtsbeleuchtung übrigens in Grenzen. In der Josefstädter Straße handelte es sich zuletzt um 288 Euro für sieben Wochen, in der Neubaugasse waren es 279 Euro und in der Wollzeile 200 Euro.
Das Teure ist das Anbringen und Abnehmen der Lichter – vor allem dort, wo die Straßenbahnen fahren und nur in der Nacht gearbeitet werden kann: In der Josefstädter Straße kostet die Montage deshalb jährlich um die 32.000 Euro, in der Wollzeile etwa 20.000 Euro.
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