Volkshilfe Wien: Alles neu im Vintage-Shop Floridsdorf

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Die Leiterin der Volkshilfe-Trainingsbetriebe und die Architektin über ein ungewöhnliches Shopkonzept und das zweite Leben der Dinge.

Das Cottage ist gemütlich eingerichtet. Ölgemälde hängen über dem geblümten Brokatsofa, am Tisch ist schon alles für eine Kaffeejause gedeckt. Im Vorgarten steht der Schaukelstuhl unter einem Baum, auf einer Wäscheleine baumeln ein paar bunte Kleider. Sie würden sanft im Wind schaukeln – aber hier geht kein Wind. Man befindet sich nämlich nicht in einem putzigen Landhäuschen, sondern in der großen Halle des Volkshilfe-Vintage-Shops in Floridsdorf. Der Shop wurde erst vor wenigen Tagen mit einem völlig neuen Konzept wiedereröffnet.

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Zeit für eine kleine Pause vor dem Landhaus.

Lebenswelten schaffen

„Früher gab es das Geschirr hier, die Bücherecke dort, die Kleidung – jeweils eine Sache an einem Ort“, erzählt Claudia Bernatz, die Leiterin der TAV-Betriebe (das Kürzel steht für Training-Arbeit-Vermittlung) der Volkshilfe Wien, über die ehemals klassische Sortierung des Vintage-Shops. Das sollte neu gedacht werden. Also holte man die Architekten Hanna Aufner und Alexander Mayer vom Büro Via Architektur ins Boot. Die beiden unterrichten an der New Design University in St. Pölten und schlugen das Projekt ihren Studierenden vor. „Sie waren schnell begeistert“, erzählt Aufner.

Die Grundidee: In elf Pavillons werden die an die Volkshilfe Shops gespendeten Produkte in kuratierten Lebenswelten in Szene gesetzt. „Für die Pavillons haben wir über 100 Ikea-Kallax-Regale in ganz Wien eingesammelt“, erzählt Aufner. Gemeinsam mit alten Obstkisten, die auf den Regalen gestapelt wurden, bilden sie die Wände der einzelnen Bereiche. Denn auch bei der Umgestaltung der Halle stand der Nachhaltigkeitsaspekt im Vordergrund.

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V. l. n. r.: Alexander Mayer und Hanna Aufner (Via Architektur), Claudia Bernatz (Leiterin TAV-Betriebe Volkhilfe Wien), Caroline Stanzl-Pant (Stv. Leiterin TAV-Betriebe VHW)

Die Aufgabe der Studierenden war es dann, die elf verschiedenen Atmosphären zu kreieren – darunter der eingangs erwähnte Landhaus-Pavillon, aber auch das „Wiener Café“ oder das „Studio 54“. Hier wird alles präsentiert, was man für eine rauschende Partynacht brauchen könnte. Glitzerkleider und -Sakkos, aber eben auch Sektflöten, Schallplatten und ein E-Piano. „Man soll hier durch den Raum gehen können, wie durch eine große Ausstellungshalle, fast wie auf einer Biennale. Man kann die ausgestellten Dinge bestaunen, aber man kann sie eben auch kaufen und mitnehmen“, sagt Aufner.

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In der großen Halle gibt es viel zu entdecken.

Wie eine Biennale

Die „Kallaxerie“ – eine Reihe von in den Pavillons platzierten QR-Codes – unterstreicht den Ausstellungscharakter. Die Codes führen zu Audiodateien, in denen man mehr über das erdachte Vorleben der Dinge erfährt.

So erzählt beispielsweise der leidgeprüfte Wecker Günther von seinem durch die Snooze-Funktion gebrochenen Selbstwertgefühl – er schafft es einfach nicht, seine Besitzerin zu wecken. „So wollen wir ein Bewusstsein schaffen: Ja, die Gegenstände sind gebraucht, aber gerade das ist total cool! Was da noch an Charakter drinsteckt“, kommt Aufner ins Schwärmen.

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Alles, das auf diesem fiktiven Arbeitsplatz liegt, ist käuflich.

Doppelte Nachhaltigkeit

Die ausgestellten Gegenstände stammen, wie in allen Volkshilfe-Shops, aus Spenden und Räumungen. „Wir sind hier doppelt nachhaltig“, sagt Bernatz. Einerseits werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft gebrauchte Kleidung und Gegenstände vor dem Müll gerettet, andererseits bietet das Projekt langzeitarbeitslosen Menschen die Chance, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

Am häufigsten, so Bernatz, müssen die Mitarbeiter bisher im „Wonderland“-Pavillon nachschlichten. Dieser Bereich ist dem Kitsch gewidmet: Porzellanclowns, Kristallfiguren und viel Schnickschnack. Die meisten Dinge hier haben keinen Nutzen – und doch ist ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt.

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