Öffnet man entlang des langen Ganges im großen Erdgeschosslokal der Volkshilfe-Maßnahme „JobTrain“ die Türen, eröffnet sich ein immer wieder neuer Einblick in eine kleine Welt. In der Werkstatt hat eine Gruppe Jugendlicher gerade Regale verleimt, in einem der Kreativräume sitzen drei Mädchen versunken über ihren Staffeleien.
Die Ernährungsgruppe unterhält sich lautstark über das selbst gekochten Mittagessen während es bei der IT-Gruppe ganz still ist. Zwei Burschen zerschneiden gerade Plastikflaschen in lange Streifen. „Die schmelzen wir zu Filament ein, das man dann im 3D-Drucker verwenden kann“, erzählen sie, während der angesprochene Drucker im Hintergrund leise surrt.
Gemeinsamkeiten
All diese jungen Menschen haben eins gemeinsam: Sie haben nach der Schulpflicht noch Nachholbedarf vor einer Berufsausbildung oder einer weiterführenden schulischen Ausbildung. Die Gründe dafür sind vielfältig, erzählt die Einrichtungsleiterin Sarah Thaler. Und doch teilen viele von ihnen die Erfahrung einer psychischen Erkrankung.
„Eine Diagnose ist keine Voraussetzung um zu uns zu kommen – aber der Großteil hat eine“, sagt Thaler. Meistens gehe es dabei um Depressionen, Angststörungen, manchmal auch um bipolare Erkrankungen, Borderline, Schizophrenie oder posttraumatische Belastungsstörungen.
Über das Jugendcoaching haben die Jugendlichen einen der 50 verfügbaren Plätze beim Volkshilfe-Programm „Ausbildungsfit JobTrain“ erhalten. Dieses ist erst vor Kurzem von Simmering in einen freundlichen, begrünten und offenen Neubau im Nordbahnviertel gezogen.
Ziel ist es, die Jugendlichen ausbildungsfit zu machen, indem sie schrittweise Alltagsfähigkeiten für das Berufsleben erlernen – und sich dabei auch mit ihrem eigenen Berufsziel auseinandersetzen. „Sie bekommen hier ein Arbeitstraining, üben verschiedene Tätigkeiten ein. Dabei werden sie von Trainerin und Trainerinnen aus dem jeweiligen Feld begleitet, aber auch von Coaches, die eine psychosoziale Ausbildung haben“, erzählt Thaler. Ein Jahr kann man in dem Programm maximal bleiben, mit Verlängerungsoption auf zwei Jahre.
Und es trägt Früchte, wie die Leiterin stolz erzählt: „Für einen der Jugendlichen war es anfangs sehr schwierig, diese 12 Stunden pro Woche zu kommen. Aber er hat schließlich eine Lehre am 1. Arbeitsmarkt bekommen.“ Andere mussten wegen einer Depression die HTL abbrechen und konnten nach einem Jahr bei Jobtrain wieder in die Schule zurückkehren.
Jobtrain bietet eine Methodik, von der eigentlich alle Jugendlichen profitieren würden, findet Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe. „Das hier wird gern als ,Ersatzprogramm für die schwierigen Jugendlichen‘ gesehen. Dabei wäre es eigentlich richtig für alle Jugendlichen. Schule muss lebensweltorientierter werden.“ Außerdem gelte es, so Wehsely, psychische Erkrankungen von ihrem Stigma zu befreien. „Belastungen und Diagnosen steigen, besonders bei jungen Menschen. Damit wird man sich stärker auseinandersetzen müssen – auch in der Schule.“
Wie kreativ die Jugendlichen, die hier untergekommen sind, mit den Hürden im Leben umzugehen lernen, sieht man am fensterlosen Besprechungsraum. Denn dank ihrer selbst gemalten bunten Plakate haben sie hier jetzt eine Aussicht.