Wie ein mobiles Familiencafé in Wien geflüchteten Kindern helfen will
Die wandernde Einrichtung von SOS Kinderdorf will wieder ein bisschen Leichtigkeit in das Leben geflüchteter Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien bringen.
Der große Raum im „Train of Hope“-Communitycenter im 15. Bezirk ist mit Teppichen ausgelegt. Entlang der Wände findet sich eine ganze Menagerie von Stofftieren. Daneben liegen bunte Legosteine in Kisten, und überhaupt alles, was den Puls eines Kindes beschleunigt. Ein kleines blondes Mädchen, das gerade einmal laufen kann, spielt selbstvergessen mit Matchboxautos. Einmal alle zwei Wochen macht das Mobile Familiencafé von SOS-Kinderdorf hier Halt – ein Fixtermin für viele der großteils aus der Ukraine geflüchteten Familien, die das Angebot im Communitycenter mit ihren Kindern in Anspruch nehmen.
Ein Fixtermin auch für Elin Alkhouli, die seit rund einem Jahr ehrenamtlich beim Familiencafé mitarbeitet. Sehr viel länger ist die Syrerin, die in einer Stadt in der Nähe von Damaskus gelebt hat, auch noch nicht in Österreich. In ihrer Heimat hat sie als Apothekerin gearbeitet – jetzt hilft sie ehrenamtlich Kindern und Jugendlichen. „Ich wollte meine Zeit sinnvoll nutzen und habe dann nach ehrenamtlicher Arbeit gesucht, weil ich ja sonst nichts machen konnte, während ich auf meinen Asylbescheid gewartet habe.“
So lernte die junge Frau SOS-Kinderdorf kennen – und das mobile Familiencafé;
ein niederschwelliges, offenes Angebot für geflüchtete und vertriebene Kinder, Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Es ist dreimal wöchentlich für jeweils drei Stunden in Flüchtlingsunterkünften in Wien und Niederösterreich im Einsatz, darunter auch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.
Dort sind es derzeit vor allem syrische Kinder und Jugendliche, die die Spielenachmittage des Familiencafés in Anspruch nehmen. „Wenn ich dann zu ihnen gehe und ,Marhaba’ („Hallo“ auf Arabisch, Anm.) zu ihnen sage, sind sie immer ganz aufgeregt und sagen ,Du sprichst ja Arabisch!’“, erzählt Alkhouli.
Monotonie unterbrechen
Im Hintergrund laufen Weihnachtslieder, das kleine blonde Mädchen wirft der Gruppe ein Matchboxauto zu, lacht fröhlich und läuft weiter. Genau darum geht es beim Mobilen Familiencafé, das aus der Ukrainenothilfe entstanden ist, wie Projektleiterin Annika Maier erzählt.
„Es fahren immer zwei Betreuer mit einem Bus voller Spielzeug und Equipment direkt zu den Unterkünften der geflüchteten Familien. Dort versuchen wir dann, die Alltagswelt zumindest für ein paar Stunden in eine Spielewelt zu verwandeln. Wir basteln, spielen Fußball, üben mit den Kindern und Teenagern spielerisch Deutsch und haben eine gesunde Jause für sie.“
Das Ziel: Die oft traumatisierten Kinder und Jugendlichen sollen – zumindest für kurze Zeit – wieder Kind sein dürfen und ihren oft sehr eintönigen Alltag besser bewältigen können. Denn in den Unterkünften für geflüchtete Menschen gibt es kaum Abwechslung und wenig kindgerechte Angebote. Deshalb warten die Kinder oft schon am Eingang der Unterkünfte auf die SOS-Kinderdorf-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.
Nonverbale Kommunikation
„Manchmal kommen Kinder zum Basteln, bei denen ganz klar ist, dass sie noch nie eine Schere in der Hand gehabt und etwas ausgeschnitten haben“, erzählt eine andere Mitarbeiterin des Familiencafés, während sie mit einer kleinen Besucherin Weihnachtssterne bastelt. Das etwa sechsjährige Mädchen trägt seine langen braunen Haare in zwei Zöpfen, auf dem Kopf hat es einen Haarreifen mit goldglitzernden Katzenohren. Sie spricht noch wenig Deutsch, aber das ist hier in der Bastelwerkstatt gar kein Hindernis. „Unsere Kommunikation mit den Kindern funktioniert auch nonverbal und spielerisch sehr gut“, erzählt Annika Maier.
Zahlen 2024 wurden bis zum 14. Dezember schon 130 Einsätze absolviert. Das Angebot wurde 2.820-mal von Kindern und Jugendlichen und 645-mal von Erwachsenen Bezugspersonen angenommen.
Bei den größeren Kindern und Jugendlichen kommen oft auch Übersetzungs-Apps zum Einsatz oder es wird, wenn möglich, Englisch gesprochen. Und bei syrischen und arabischsprachigen Kindern kann Elin Alkhouli dolmetschen – und vor allem zuhören. „Ich weiß, was sie durchgemacht haben, wo sie herkommen und wie sie hierhergekommen sind. Ich kenne ihre ganze Geschichte, ich habe sie gelebt“, erzählt sie. „Ich muss oft an meinen Bruder denken, er war auch in Traiskirchen, ganz allein. Und ich denke mir, er hätte einfach jemanden gebraucht, mit dem er reden kann. Darum rede ich so viel ich kann mit den Jugendlichen“, sagt Alkhouli. Mit einer schnellen Handbewegung wischt sie sich die Tränen weg. Dass sie das Schicksal der syrischen Kinder und Jugendlichen teilt, macht es ihr zwar leicht, Zugang zu ihnen zu finden, aber emotional ist es manchmal sehr fordernd.
Das Mädchen mit den goldenen Katzenohren ist fertig mit dem Weihnachtsstern und klappt ihn stolz auf. „Super ist der! Gut gemacht!“, sagen die Betreuerinnen und Betreuer in den grünen SOS-Kinderdorf-Shirts. Das Mädchen läuft aufgeregt zu seiner Mutter.
Seit einem Monat hat Alkhouli ihren Aufenthaltstitel. „Ich lerne jetzt für meine B2-Deutschprüfung. Und dann will ich meine Urkunden nostrifizieren lassen, um auch in Österreich als Apothekerin arbeiten zu können.“ Ihre ehrenamtliche Arbeit beim Mobilen Familiencafé will sie aber nicht aufgeben. Das ist einfach zu wichtig.