Gratis-Haarschnitte und gute Laune: Salon Sozial zu Gast im 15. Bezirk

Der Jugendliche steht vom Drehsessel auf und betrachtet sich in seiner Handykamera. „Boahhh“, sagt er begeistert und streicht sich über die dunkelblonden Locken. Ganz normaler Alltag im Friseursalon – nur dass dieser an diesem Septembertag unter freiem Himmel aufgebaut ist: am Kardinal-Rauscher-Platz im 15. Bezirk vor den Stufen der Rudolfsheimer Pfarrkirche. Und die Kundinnen und Kunden sind höchstens 15 Jahre alt.
Die Stimmung ist gelöst. In der Mitte sind Friseurinnen und Friseure konzentriert bei der Arbeit, während Kinder herumlaufen und Eltern zuschauen. Aus den Boxen dröhnt Popmusik, in die sich immer wieder der Klang der Kirchenglocken mischt.

Gute Stimmung und frische Haarschnitte am Kardinal-Rauscher-Platz.
Entlastung für Familien
Salon Sozial heißt das Event von Volkshilfe Community Work, das bereits zum fünften Mal stattfindet. Hier bekommen Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre einen kostenlosen, professionellen Haarschnitt. Das soll sozial weniger privilegierten Familien eine kleine Entlastung verschaffen, gleichzeitig steht der Salon Sozial aber allen Kindern offen. „Es kommen in erster Linie Menschen aus dem Grätzel vorbei, ein totaler Querschnitt aus der Bevölkerung“, erklärt Community-Work-Leiter Amar Rajković.
Die Initiative stammt von Gülten Karagöz, die seit 40 Jahren Friseurin ist, einen Salon am Wiedner Gürtel betreibt und mittlerweile Wiener Innungsmeisterin wurde: „Als ich von der Volkshilfe angesprochen wurde, ob ich bei Community Work mitmachen will, habe ich gleich ja gesagt – und angeboten, meine Dienste, also das Haareschneiden, zur Verfügung zu stellen.“ Ihr besonderes Anliegen waren von Beginn an die Kinder.

Amar Rajković und Gülten Karagöz beim Salon Sozial.
Flagge zeigen
Mit Unterstützung des Vida New Talents Fachstudios der Arbeiterkammer, in dem angehende Friseurinnen und Friseure auf ihre Lehrabschlussprüfung vorbereitet werden, bekommen diese einen frischen Haarschnitt. Zehn Friseurinnen und Friseure sind an diesem Tag im Einsatz. Neben den Lehrlingen auch Profis, die im Grätzel eigene Friseursalons und Barbershops betreiben. Alle sind ehrenamtlich hier.
Warum findet die Aktion mitten auf einem Platz statt und nicht in einem Salon? „Wir sind draußen, damit wir auch Flagge in der Nachbarschaft zeigen“, sagt Rajković. „Wir wollen nicht vermitteln, ,hier sind lauter traurige Menschen, die sich keinen Haarschnitt leisten können‘. Wir verpacken es als Fest, mit Musik und guten Vibes.“
Volkshilfe Community Work ist ein Projekt der Volkshilfe Wien. Gemeinsam mit der Stadt Wien unterstützt es Menschen dabei, ihre sozialen Ideen umzusetzen, z. B. Kräuterwanderungen, Kochinitiativen oder Black Movie Days.
Weitere Infos und Termine: cw.volkshilfe-wien.at
Teuerung
Ist der Zulauf seit der Teuerung merkbar größer geworden? Karagöz bejaht sofort. „Definitiv. Unser Rekord waren 86 Kinder in vier Stunden.“ Wenn alles teurer wird, ist ein Haarschnitt eben oft nicht mehr drinnen.
Eine Mutter, die dem Treiben lächelnd zusieht, bestätigt das: „Ich sag’s einmal so: Wenn man es sich leisten kann, denkt man nicht darüber nach.“ Sie ist mit Sohn Sebastian und Nichte Corinna, beide neun Jahre alt, am Heimweg von der Schule hier vorbeigekommen und hat das kostenlose Angebot spontan angenommen. „Super schaut das aus“, sagt sie zu ihrem Sohn, der mit frisch geschnittenen Haaren vom Friseursessel springt. „Das ist meine Sommerfrisur“, sagt er zufrieden.
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