Wie Therapiepferde am Totzenhof Kinder unterstützen

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Am Totzenhof von SOS-Kinderdorf in Altlengbach helfen Therapiepferde Kindern und Jugendlichen mit belastenden Erfahrungen, wieder Stabilität und Vertrauen zu finden.

Es ist heiß an diesem Sommertag, und ganz still am Totzenhof in Altlengbach (Bezirk St. Pölten). Zu hören ist nur Vogelgezwitscher und das gleichmäßige Kaugeräusch der zwei Norikerwallache Torro und Thysen, die sich am Heu bedienen. Seit Anfang des Jahres leben sie hier am Hof, auf dem zwei therapeutische Kleinstgruppen von SOS-Kinderdorf untergebracht sind. Und sie haben den Alltag der acht hier lebenden Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 16 Jahren spürbar verändert.

Alle stammen sie aus Familien, in denen das Kindeswohl über einen längeren Zeitraum durch Gewalt, Grenzüberschreitungen, psychisch erkrankte oder suchtkranke Eltern stark gefährdet war. Für eine reguläre Kinderdorfgruppe brauchen sie intensive Betreuung. „Wir betreuen hier Kinder und Jugendliche mit sehr herausfordernden Lebens- und Entwicklungsverläufen. Dazu zählen psychische Belastungen, soziale Auffälligkeiten oder auch delinquente Verhaltensweisen. Sie benötigen kleine Gruppen, eine reizarme Umgebung und ein engmaschiges Betreuungsnetz. Das bekommen sie hier“, erklärt Nina Schiller, Pädagogische Leiterin des Totzenhofes. Diese Kinder, die in chronischen Krisensituationen leben, sollen hier am Totzenhof stabilisiert und therapeutisch begleitet werden.

Dabei spielen auch die Tiere eine zentrale Rolle: Neben den Pferden leben auch Hühner auf dem Gelände, seit Kurzem sogar ein Hahn. „Zum Glück ist sein Krähen nicht so schrill“, sagt Schiller schmunzelnd.

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Der Hühnerstall am Totzenhof.

Botschaft der Pferde

In die Pflege der Menagerie werden die Kinder und Jugendlichen von den Pädagoginnen und Pädagogen eingebunden, wechselweise ist eine Gruppe wöchentlich für eine Tierart verantwortlich. Wie ihnen das hilft? „Es geht dabei um Selbstwirksamkeit; darum, einem anderen Lebewesen etwas Gutes zu tun, zu sehen, dass man etwas kann. Und natürlich spielt auch die körperliche Komponente eine Rolle“, erklärt Verena Jurak, eine der Sozialpädagoginnen am Totzenhof. Denn einem der 800 bis 1.000 Kilo schweren Noriker die Hufe auszukratzen, kann einen durchaus ins Schwitzen bringen.

Bei der Arbeit mit den sanften Riesen üben die Kinder Nähe und Distanz, lernen Grenzen wahrzunehmen – die eigenen und die des Tieres. „Damit haben die Kinder bei uns oft ein Thema“, sagt Jurak.

Auch das Regulieren der eigenen Emotionen fällt den jungen Bewohnerinnen und Bewohnern des Totzenhofes oft schwer. Hier helfe die nonverbale Ebene mit den Tieren. „Wenn die Pferde aufstampfen, ist das eine deutliche Botschaft. Sie geben ein Feedback, das nicht von mir als Pädagogin kommt. Das wirkt oft viel direkter.“ Die Wirkung ist spürbar. Die Arbeit mit Torro und Thysen hat merkbare Veränderungen im Verhalten der Kinder und Jugendlichen bewirkt. Ein Mädchen kann etwa seine Impulsdurchbrüche viel besser steuern und benennen. „Sie sagt zum Beispiel: ,Ich mag die Betreuerin, aber ich bin gerade echt wütend auf sie‘ – anstatt pauschal loszuschimpfen.“

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Am Pferderücken Last abgeben.

Last abgeben

Das Areal tut sein Übriges dazu. Auf dem 1,7 Hektar großen Grundstück fällt das Durchatmen leichter. „Hier sind die Kinder weniger Reizen und sozialen Begegnungen ausgesetzt. Hinter uns sind nur Felder und Wiesen“, sagt Schiller. Die Pferde heben kurz die Köpfe und wenden sich entspannt kauend ihren Besuchern zu. Warum eignen sich eigentlich gerade Pferde als Therapietiere? „Sie bieten Kindern und Jugendlichen, die zu Impulsdurchbrüchen neigen, ein entsprechend starkes Gegenüber“, erklärt die Pädagogin. „Torro und Thysen haben eine starke Präsenz. Sie sind stark, reagieren auf Reize aber sehr fein, und das ist eine ganz tolle Kombination.“

Bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen geht es zwar nicht ums Reiten, bei manchen Übungen sitzen sie dann aber doch auf dem starken Rücken der Pferde. „Getragen zu werden, gerade wenn man selbst viel zu tragen hat, ist sehr besonders“, sagt Jurak.

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