„Deutsch Start“: Kostenlose Nachhilfe für Kinder in Wien

Das größte Problem ihres jüngeren Sohnes Hüseyin: "Er kommt im September in die zweite Klasse und kann noch nicht lesen." Seit sieben Tagen fahren die Einzelhandelskauffrau Münire Çalışkan und Hüseyin daher in der Früh mit dem Bus von Jedlesee zur Volkshochschule Floridsdorf.
Um 9 Uhr beginnt dort - so wie an 18 anderen Standorten der Wiener Volksbildung - der „Deutsch Start“-Kurs. Die Nachfrage ist enorm, es gibt lange Wartelisten. Insofern ist es ein Glück, dass der achtjährige Hüseyin drei Wochen lang von Montag bis Donnerstag jeweils zwei Stunden lang dazulernen kann.

In 16 Wiener Bezirken
Die Stadt Wien nimmt auch in diesem Sommer Geld in die Hand, um Kinder wie Hüseyin konkret zu unterstützen. Früh sind sie in ihren Bildungskarrieren nachweislich in Rückstand geraten. Noch lässt sich viel reparieren.
"Das Budget für die Sommerlernstationen beträgt 695.820 Euro, für die Sommerdeutschkurse 1,2 Millionen Euro", berichtet Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) bei seinem Besuch in Floridsdorf.

Wird der kleine Hüseyin davon profitieren? Seine Mutter ist vorsichtig skeptisch und wirft einen Vergleich in die Bildungsdebatte ein, der bisher wenig Berücksichtigung fand: "Ich bin mit zwölf Jahren von einem kleinen Ort in der Nähe von Ankara nach Wien gekommen", erzählt Münire Çalışkan in nahezu perfektem, nahezu akzentfreiem Deutsch. "In meiner Schule war das Tempo noch nicht so hoch wie in den Schulen meiner Söhne heute."
Sie konnte in Ruhe die fremde Sprache lernen, dann die Schule und dann eine Lehre als Einzelhandelskauffrau abschließen.

Die Sommerlernstationen der Volkshochschulen werden noch bis Ende August angeboten, in 16 Wiener Bezirken. Es gibt eigene Stationen für Volksschulkinder in Deutsch und Mathematik. Neu ist das Angebot „Deutsch Start“, auch für Kinder, die Deutsch neu erlernen. Für Schüler und Schülerinnen der Mittelschule oder AHS Unterstufe wird in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch Nachhilfe angeboten.
In kleineren Gruppen werde auch auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen, erklärt VHS-Pädagogin Theresia Manas, die das Sommerlernprogramm in den Volkshochschulen koordiniert. Durch die genauer abgestimmten Lerninhalte könnten die Schüler ihre Deutschkompetenzen für den Schulstart im Herbst erweitern.
Die Bildungsexpertin ist froh, dass es dieses Angebot gibt: "Weil es wichtig für das Zusammenleben in unserer Stadt und für den Schulerfolg ist."

Wir schreiben heute bereits den 1. August. Die neun Wochen Ferien vergehen immer zu schnell, zumindest aus der Sicht der Schulkinder. „Auch sie benötigen Pausen“, betont Theresia Manas.
Hüseyin muss jedenfalls noch ein zweites Mal die Schulbank drücken. Froh ist er darüber nicht, zumindest nicht in diesen Tagen. Seine sorgsame Mutter hat ihn für ein weiteres Sommer-Lernprogramm der Stadt Wien angemeldet, in einer nahe gelegenen Schule, die er gut kennt. Er soll einmal so gut lesen und schreiben können wie sie.
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