Vom Harnblasenstein bis zur KI: Ein Blick hinter die Kulissen des Veterinärmuseums

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Im Keller der Veterinärmedizinischen Universität ist ein sehenswertes Museum eingerichtet, das nur selten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Der KURIER durfte einem Pathologen dorthin folgen.
Von Uwe Mauch

„Harnblasenstein vom Hund aus dem Jahr 1868.“ Steht auf der Tafel in der Vitrine. Er ist, wie Christof Bertram erklärt, das älteste belegte Präparat im pathologischen Museum der Veterinärmedizinischen Universität in Floridsdorf.

Der Tierpathologe hat an der Freien Universität Berlin promoviert. Seit Februar 2021 forscht, lehrt, diagnostiziert er auf dem Donaufeld.

Inspirierende Sammlung

Für Christof Bertram wirkt das kleine, feine Museum im Keller eines der Vetmed-Gebäude nicht abstoßend, sondern, im Gegenteil, für seine Forschung inspirierend: „Ich bin jedes Mal beeindruckt, wenn ich sehe, mit welcher Mühe und Hingabe die Sammlung erstellt wurde.“

Das Gründungsjahr des pathologisch-anatomischen Museums soll 1850 gewesen sein. „Damals wurden diese Präparate gesammelt, um sie dann im Hörsaal vorführen zu können“, erklärt Assistenzprofessor Bertram bei einer der seltenen Führungen dem KURIER. „Spannend ist für mich, dass hier Krankheiten von Tieren dokumentiert sind, die in Österreich längst ausgerottet wurden.“

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Schädel- und Kiefersammlung in einer der alten Vitrinen.

Etwa die Rinderseuche, die in der Monarchie weit verbreitet war und für neun von zehn infizierten Tieren den Tod nach sich zog, was auch die Rinderbauern in den Ruin getrieben hat. Erst seit 2011 gilt diese Seuche, die den Verdauungstrakt der Rinder befällt, als weltweit ausgerottet, nachdem zehn Jahre zuvor in Kenia der letzte Fall gemeldet worden war.

Als eliminiert gilt auch die Maul- und Klauenseuche. „Zumindest in Europa“, wie der Pathologe betont, um zur Anschauung ein Modell aus Wachs zu präsentieren.

Dass die extrem infektiöse Seuche („Mit dem Wind kann das Virus kilometerweit übertragen werden“) zu Beginn des Jahres in Brandenburg und dann in der Slowakei und in Ungarn ausgebrochen ist, erklärt Bertram mit „einer Einschleppung von außen“. In jedem Fall durchkreuzte die Seuche auch die Pläne auf seiner Uni: „Es war klar, dass wir unseren geplanten Tag der offenen Tür nicht mehr durchführen können. Da war das Risiko einfach zu hoch.“

Nach der Verschiebung findet eine Führung durch sein verehrtes Museum nun am 27. September statt (Infos: siehe links). Mehr als 4.500 Präparate werden hier aufbewahrt. In erster Linie von Pferden („Die waren in der Monarchie für das Militär wichtig“), von Rindern („Die waren für die Landwirtschaft essenziell“) und Hunden.

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In Europa gilt sie eigentlich schon länger als ausgerottet: die Maul- und Klauenseuche.

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Nur schwer verdaubar

Die Präparate des Museums sind gedanklich nur schwer zu verdauen, wie etwa das bombastische Skelett eines Fohlenkopfes beweist. „Eine angeborene Fehlbildung“, so Pathologe Bertram. „Das ist ein sogenannter Wasserkopf, lateinisch Hydrocephalus, der sich im Uterus gebildet hat.“

Auch nichts für Leute, die aufgrund des real Erlebten nächtens von Albträumen heimgesucht werden, ist der Kiefer eines Pferdes, das sehr stark unter der Entzündung eines Zahns gelitten haben muss: „Der Eiter hat hier den Knochen aufgelöst“, zeigt der Veterinärmediziner auf eine klar erkennbare Ausbuchtung neben dem Zahn, die zur Gänze mit Eiter gefüllt war.

Wer weiß, wie sensibel Pferde auf Schmerz reagieren, kann sich leicht ausmalen, welche Qualen diese Infektion ausgelöst hat: „Es kann sein, dass dieses Pferd bis auf die Knochen abgemagert ist.“

Spannend berichten kann Christof Bertram nebenbei auch über seine Forschungen am Zentrum für Pathologie: „Ich beschäftige mich mit der Frage, inwieweit uns die Künstliche Intelligenz bei der Analyse von Gewebe unter dem Mikroskop, speziell von Tumorzellen von Hunden und Katzen, helfen kann.“

Die Erkenntnisse, die man bisher gewonnen hat, geben Anlass zur Hoffnung: „Mit der KI sind wir schneller und präziser. Außerdem können wir Analysen leichter vergleichen.“ Dies sollte auch uns Menschen interessieren. Immerhin kann Christof Bertram auch über eine diesbezügliche Kooperation mit der Meduni Wien berichten.

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