Verteilern gehen Koran-Exemplare aus

Koran-Verteilung in Wien.
Nach "Lies!"-Verbot in Deutschland ist leistbarer Nachschub für hiesige Aktivisten nicht gesichert.

Das Verbot der salafistischen Bewegung "Die wahre Religion" in Deutschland hat auch Auswirkungen auf die umstrittenen Koran-Verteilungen in Österreich. Denn jenen Muslimen, die nach Widerständen gegen ihre Wiener Info-Stände zuletzt ankündigten, das Wort Allahs auch durchs Megafon verkünden zu wollen, gehen die Korane aus. "Sie haben keine mehr, die sie verteilen könnten", sagt ihr ehemaliger Chef, der Leiter der "Lies!"-Aktion Österreich, Mustafa Brahja. Und da "Die wahre Religion" im Rahmen der "Lies!"-Kampagne bis dato den kostengünstigen Druck der Bücher organisierte, schaut es jetzt schlecht mit Nachschub aus.

Brahja selbst, der Verteilaktionen in Wien, Innsbruck, Salzburg, Eisenstadt und bis zu deren Verbot auch in Wiener Neustadt organisierte, besitzt zwar noch rund 1500 Exemplare – will sie aber nicht mehr verteilen. Er distanziert sich von den deutschen Salafisten: "Wir werden keine Info-Stände mehr beantragen. Sämtliche Lies!-Transparente, -Flyer oder -T-Shirts werfen wir weg. Und auch die Facebook-Seite nehme ich offline."

Verfassungsschutz

Wie berichtet, verbot das deutsche Bundesinnenministerium am Dienstag die Bewegung rund um den vorbestraften Kölner Ibrahim Abou-Nagie und führte in 60 Städten Razzien durch. Der Verdacht: Unter dem Deckmantel harmloser theologischer Aufklärung sollen jungen Menschen für den Dschihad angeworben worden sein. "Lies!" sei ein "Sammelbecken für Islamisten"; mindestens 120 Personen aus dem Dunstkreis seien in den Irak oder nach Syrien gereist, um dort zu kämpfen, erklärte Innenminister Thomas de Maizière.

In Österreich werden die Koran-Verteiler vom Verfassungsschutz zwar beobachtet. Bis dato sind sie aber nicht strafrechtlich aufgefallen. Und laut Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, fanden auch keine Rekrutierungsversuche wie in Deutschland statt. Ein Verbot stehe nicht im Raum.

Bedenken gibt es trotzdem. Kommunal- und Bezirkspolitiker machen (zumeist vergeblich) gegen die Verteilaktionen mobil. Und auch die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hat keine Freude damit, weil es sich bei der verwendeten Koran-Übersetzung um eine für Laien schwer verständliche Fassung handelt.

Koran-Verteiler-Szene ist gespalten

Brahja lenkte bereits Ende 2015 ein und setzte die "Lies!"-Verteilaktionen aus, "um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen". Den Vorwurf, Menschen für den Dschihad rekrutieren zu wollen, wies er aber vehement zurück.

Von einer kleinen Gruppe seiner Wiener Verteiler wurde die Zwangspause jedoch nicht goutiert – wecke diese doch den Anschein, als habe man sich etwas zu Schulden kommen lassen. Also trennten sie sich von Brahja. Mit ihren Info-Ständen sowie der Ankündigung, auch durchs Megafon predigen zu wollen, machten sie sich allerdings auch kaum Freunde.

Künftig könnte ihnen womöglich nichts anderes übrig bleiben. Denn bis dato organisierten die deutschen "Lies!"-Aktivisten den kostengünstigen Nachdruck des Korans in einer polnischen Druckerei. Brahja bezog sie um 1,25 Euro pro Stück inklusive Transport – das ließ sich über private Spenden finanzieren. "Durch das Verbot der Bewegung in Deutschland wird dieser Preis aber nicht aufrechtzuerhalten sein."

Ende der Kooperation mit Lies! Deutschland

Brahja sagt über die nun verbotene deutsche Bewegung: "Das sind Leute, die ich nicht kenne. Die verhalten sich komisch, mit denen will ich nicht in ein Boot gesteckt werden."

Er habe zwar bereits mit Schwierigkeiten gerechnet, den Koran aber unter dem Namen "Lies!" verteilt, weil das die Bedingung für den günstigen Einkaufspreis gewesen sei. "Der Koran war mir einfach wichtiger", sagt Brahja.

Er selbst habe zwar Verständnis für eine konservative Auslegung des Glaubens. Die politische Instrumentalisierung des Salafismus, wie sie von "Die wahre Religion" betrieben worden sei, lehne er aber ab.

Die nunmehrigen Razzien und das Verbot in Deutschland brächten das Fass zum Überlaufen. "Ursprünglich wollte ich den Koran weiterverteilen – ohne das Lies!-Logo", erklärt Brahja. "Aber jetzt werden wir die Verteilaktionen komplett einstellen. Wir wollen nicht provozieren. Und wir wollen der Politik in Wahlkampfzeiten keinen zusätzlichen Zündstoff liefern."

Seine 1500 Koran-Exemplare werde er privat verschenken – "die sind nach dem Verbot sicher sehr gefragt." Aber nicht an die Megafon-Fraktion.

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