Verhetzung, Holocaust-Leugnung: Geballter Hass auf zwei Stockwerken

Der Platz der Angeklagten im Gerichtssaal.
Eine Frau bezeichnete Muslime als Vergewaltiger, ein Mann stellte den Mord an Millionen Juden infrage.

Frau W. wartet Dienstagfrüh ungeduldig im zweiten Stock des Landesgerichts für Strafsachen in Wien. „Kann ich schon hinein?“, fragt sie. „Sie werden aufgerufen“, informiert sie die Schriftführerin. Zwei Minuten später ist es so weit. Frau W. wird schon im Gerichtssaal erwartet. Vom Richter, der Staatsanwältin und einer Schulklasse, die im Zuhörerbereich Platz genommen hat. Unter den Schülern ist auch eine junge Frau mit Kopftuch. Doch ausgerechnet an Muslimen stößt sich Frau W.

„Nur geteilt“

Die Pensionistin hat ein Posting auf Facebook geteilt, in dem Muslime als Vergewaltiger, Prügler und Räuber verunglimpft werden. „Ich hab’ das ja nicht geschrieben“, rechtfertigt sie sich. „Aber geteilt“, kontert der Richter. Und das reicht, um wegen Verhetzung angeklagt zu werden. „Glauben Sie, es gibt keine Österreicher, die vergewaltigen oder rauben?“, fragt der Richter nach und hat gleich einen Vorschlag für die Angeklagte: „Sie können einmal bei uns im Haus zuschauen kommen.“

„Wissen Sie“, sagt Frau W., „Ich habe lange im Ausland gearbeitet, habe mich anpassen müssen. Wenn ich heute am Reumannplatz mit meinem Hund gehe, werde ich als unreine Bitch beschimpft.“

Doch dass das Posting nicht in Ordnung war, sieht sie schließlich ein. Frau W. muss jetzt zur Bewährungshilfe und das Programm „Dialog statt Hass“ absolvieren. „So machen wir das“, sagt Frau W. und entschwindet.

Viel Tagesfreizeit

Für Herrn E., der einen Stock weiter oben seine Verhandlung wegen eines Postings hat, geht es da gerade erst los. Wobei: Geht es nach seiner Verteidigerin, könnte es auch gleich wieder vorbei sein: „Es war Ostern, es war keine Zeit, mich mit meinem Mandanten zu beraten“, erklärt sie. Und: „Ich beantrage ein psychiatrisches Gutachten zu seiner Zurechnungsfähigkeit.“ Herr E. allerdings stellt klar: „Geisteskrank bin ich nicht.“

Doch der gebürtige Deutsche, der seit vielen Jahren in Österreich lebt, hat sehr viel Tagesfreizeit. Die verbringt er gerne im Internet. Er postet auch regelmäßig in Telegram-Gruppen. So auch das Video eines Oberrabbiners, der den Holocaust infrage stellt.

„Warum posten Sie so etwas?“, fragt die Richterin. „Katzenvideos bringen keinen Mehrwert“, antwortet der Angeklagte. Er habe das Video in die Gruppe gestellt, weil es ihm um Meinungspluralismus gehe. Wie er zum Holocaust steht? „Da bin ich sehr vorsichtig. Ich habe eine Meinung, werde sie hier aber nicht äußern. Aber die Lüge ist ein Sprint, die Wahrheit ein Marathon.“

Der beisitzende Richter versucht es mit einer anderen Frage: „Hat Hitler Juden vergast?“ – „Darauf antworte ich nicht“, sagt der Angeklagte und beteuert: „In der Gruppe ist es nicht immer um den Holocaust gegangen, auch Corona und Ufos waren Thema.“

Urteil: Zwei Jahre bedingte Haft; nicht rechtskräftig.

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