"Ludwig ist mit seiner ruhigen und unaufgeregten Art der ideale Krisenbürgermeister", sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Ein so gutes Ergebnis bei Ludwigs erster Wahl als Bürgermeister wäre dennoch bemerkenswert: "Die erste Wahl ist immer die schwierigste. Die Ergebnisse ihrer Vorgänger zu erreichen, das schaffen die wenigsten."
Die ÖVP, die bei der Wahl am 11. Oktober die größten Zugewinne verzeichnen wird, stagniert derzeit ebenso wie die Grünen. Die FPÖ hat sich bei 10 Prozent eingependelt, die Neos liegen weiter bei 6 Prozent. Sie müssen damit so wie Heinz-Christian Strache (4 Prozent) um den Einzug in den Gemeinderat zittern.
Bei der (fiktiven) Bürgermeister-Direktwahl zeigt sich ein ganz ähnlicher Trend: Ludwig gewinnt weiter hinzu und punktet auch bei Wählern aus anderen Lagern. Am beliebtesten ist der amtierende Bürgermeister übrigens bei den Wählern jenseits des 50. Lebensjahres. Bei den Jungen (bis 30) liegt Grünen-Chefin Birgit Hebein voran.
Koalitionsvarianten
ÖVP-Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel, den OGM im Juli noch bei 22 Prozent sah, fällt deutlich zurück – und liegt derzeit bei 15 Prozent. "Er wird mehr als technokratischer, trockener Finanzminister denn als Politiker mit Karriereplanung in Wien wahrgenommen", sagt Bachmayer. Und das, obwohl Blümel sich zuletzt redlich bemühte, ernsthaftes Interesse an einem Regierungsamt in Wien zu signalisieren.
Heftig spekuliert wurde im Wahlkampf bisher über die möglichen Koalitionsvarianten: Eine Dreier-Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos ist laut aktueller Umfrage rechnerisch nicht mehr möglich. Neos und Grüne haben diese Variante bereits ausgeschlossen. Die SPÖ nutzt die Farbenspiele aber weiter zur Mobilisierung.
Hält der Trend, könnte am Wahlabend ein ganz anderer Fall eintreten: Michael Ludwig und seine SPÖ könnten die freie Auswahl haben. Neben einer sicheren Mehrheit für Rot-Grün und Rot-Türkis (sowie – rein rechnerisch – für Rot-Blau) könnte sich auch eine Mandatsmehrheit für eine rot-pinke Koalition ausgehen. Letzteres vor allem, wenn die Liste von Heinz-Christian Strache an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Strache bleibe damit weiter das Zünglein an der Waage, sagt Meinungsforscher Bachmayer.
Er hält eine rot-pinke Zusammenarbeit für eine „reale Möglichkeit“. Bachmayer: "Der große Sieger nimmt sich oft einen Koalitionspartner, der ihm das Regieren so einfach wie möglich macht. Die Neos sind weniger widerspenstig als die Grünen oder die ÖVP."
Die Entscheidung liege "ganz bei Ludwig. Innerhalb der Partei wird ihm nach einem so großen Wahlerfolg niemand dreinreden." Die Neos zeigten sich der Variante gegenüber bereits aufgeschlossen.
Am höchsten in der Wählergunst steht aber die Fortführung von Rot-Grün. 40 Prozent der Befragten geben an, dass sie diese Koalition bevorzugen. 23 Prozent sprechen sich für Rot-Türkis aus. Überraschend knapp dahinter: Rot-Pink mit 21 Prozent. Bei den Pensionisten ist die "alte" SPÖ-ÖVP-Koalition übrigens immer noch die beliebteste Variante.
Die große Unbekannte am 11. Oktober ist – mit Blick auf das Corona-Virus – die Wahlbeteiligung. Derzeit kündigen 70 Prozent der Befragten an, am Wahlsonntag ihre Stimme abzugeben.
Der Anteil jener, die dafür nicht ins Wahllokal kommen wollen, ist so hoch wie noch nie. Laut Umfrage planen 42 Prozent, per Briefwahl abzustimmen. Seit Wochen bemühen sich die Parteien, die Wähler zur Briefwahl zu motivieren. Gerade bei Älteren nehmen die Ängste vor einer Corona-Ansteckung zu.
Die Sorgen der Wiener
Das zeigt sich nicht zuletzt am "Sorgenindex", den OGM erhoben hat. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gefahren von Corona rangieren nach den jüngsten Neuinfektionen auf den Plätzen zwei und drei – direkt hinter dem "Dauerbrenner" Wohnen (siehe Grafik). 63 Prozent der Befragten beschäftigt das Thema leistbarer Wohnraum in Wien.
Andere Themen des Wahlkampfs beschäftigen die Wiener weitaus weniger: So sei etwa das Verkehrsthema eher ein "klassisches Zielgruppenthema", sagt Bachmayer. Relevant ist es nur für bestimmte Wählergruppen. Ähnlich verhält es sich mit Versäumnissen im Bereich Integration und politischer Transparenz.
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