Überlebensstrategie der kleinen Hotels

Anna Sophie Lohrmann ist Gastgeberin im „Urban Stay Columbia Hotel“. Die zehn Zimmer hat Designer Walter Pramel unterschiedlich designt.
Große Ketten drängen auf den Markt. Kleine Design-Hotels setzen jetzt verstärkt auf Klasse statt Masse.

Vintage-Möbel und stapelweise Bücher neben einer weißen Stoffcouch. Als Anna Sophie Lohrmann die grüne Altbau-Tür öffnet, könnte man meinen, sie würde Gäste in ihrer Wohnung willkommen heißen – und nicht in einem Hotel. Ein klassisches Rezeptionspult und eine ausladende Hotellobby sucht man hier vergeblich. Statt der üblichen Minibar gibt es einen Kühlschrank im gemeinsamen Wohnbereich.

Klein, aber fein

Individuell, persönlich, gemütlich – das sind die Eckpfeiler, mit denen das neue "Urban Stay Hotel Columbia" in der Kochgasse 9 Gäste anlocken möchte. Im September wurde die 120 Jahre alte Pension in der Josefstadt neu übernommen. Seitdem werden die zehn Zimmer sukzessive umgestaltet. Designer Werner Pramel sorgt dafür, dass die Zimmer unterschiedlich aussehen und die Gemeinschaftsräume zum Verweilen einladen. Preis für eine Nacht im Doppelzimmer: Ab 89 Euro.

Boutique- oder Design-Hotels nennt sich dieses Konzept der kleinen, individuellen Herbergen, die in Städten wie London, New York oder Berlin seit Jahren beliebt sind und nun auch in Wien immer öfter eröffnen. "Ein wohnliches Zuhause in einer fremden Welt", lautet etwa der Slogan des Design-Hotels "Hollmann Belletage" in der Wiener Innenstadt.

Überlebensstrategie der kleinen Hotels
Rundgang durch das Urban Stay Hotel Columbia in der Kochgasse 9. Das Hotel wird derzeit zu einem liebevollen Boutiquehotel umgebaut. Wien, 18.03.2015.

Denn es ist eng geworden am Wiener Hotelmarkt – nicht nur in der Luxusklasse, sondern auch im 3- und 4-Sterne-Bereich. Laut Wien-Tourismus gab es im Jänner und Februar diesen Jahres zwar knapp sechs Prozent mehr Nächtigungen als im Vorjahr. Doch gleichzeitig eröffnen in Wien kontinuierlich neue Hotels. Die Low-Budget-Hotelkette Motel One hat im Februar ein großes Haus in der Nähe der Staatsoper eröffnet. Im Frühjahr wird bereits das nächste Motel One-Hotel beim Hauptbahnhof fertig. Insgesamt sind das mehr als 900 neue Zimmer. Folgen sollen weitere Hotelprojekte rund um den neuen Hauptbahnhof von Ibis, Novotel und Star Inn.

Auch die angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuersatz von 10 auf 13 Prozent für Übernachtungen wird die Wettbewerbssituation voraussichtlich verschärfen. "Das ist Gift für den Tourismusstandort Österreich", warnt Klaus Ennemoser, Bundes-Obmann der Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich.

Zugzwang

Bestehende Hotels kommen daher in Zugzwang. Immobilienexperte Lukas Hochedlinger, Geschäftsführer von Christie+Co Austria, prophezeit: "In den nächsten drei bis fünf Jahren wird es zu einer Marktbereinigung kommen. Hotels, denen eine klare Positionierung fehlt, werden auf der Strecke bleiben." Besonders privaten Hoteliers sieht er gefordert: "Große Ketten mit starkem Vertrieb können ein paar schlechte Jahre schon verkraften."

Hotelketten wie das Motel One werben meist mit niedrigem Preis und einheitlichem Design. Doch immer mehr Reisende wollen die Stadt nicht aus Touristenperspektive kennenlernen. Sie suchen individuelle Zimmer und Gastgeber, die ein uriges Restaurant kennen oder Insidertipps geben können. Diesen Trend nutzen Boutique-Hotels. Anna Sophia Lohrmann nennt sich nicht Rezeptionistin – sie ist Gastgeberin.

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