Überbetriebliche Lehre im Praxistest

Überbetriebliche Lehre im Praxistest
Sie sind die ersten ihrer Art: Sasa, Josip und Jessica schließen heuer die überbetriebliche Lehre ab.

Wir san sicher ned die Depperten", sagt Sasa Radosavljevic, "weil in der Praxis schau'n sich normale Lehrlinge oft an." An Selbstvertrauen mangelt es dem 19-Jährigen nicht. Der Wiener ist einer von 300 Jugendlichen, die dieser Tage ihre überbetriebliche Lehre abschließen. Und Radosavljevic und die anderen sind somit die ersten ihrer Art. "Und wir sind gut", sagt der Wiener.

Seit drei Jahren spielt die Stadt Wien für 4500 Jugendliche Unternehmer und bildet gemeinsam mit Organisationen wie Jugend am Werk Zerspannungstechniker wie Radosavljevic, aber auch Friseure und Mechaniker aus. Immer seltener sind es die Firmenchefs selbst, die ihren Nachwuchs ausbilden. Die SPÖ versucht damit jenen eine Perspektive zu geben, die am freien Ausbildungsmarkt keine Lehrstelle bekommen.

Doch wie gut sind Friseure, die nur selten in einem echten Salon gestanden sind? Wie zuverlässig ist eine Mechanikerin, die die meiste Lehrzeit dasselbe Auto auseinander- und wieder zusammengebaut hat? Kurzum: Kann die Stadt Jugendlichen mittels Trockentraining beibringen, wie der harte Berufsalltag zu bewältigen ist?

Vor Ort

"Wir glauben Ja", sagt Tanja Wehsely, SPÖ-Gemeinderätin und Vorstandschefin des Arbeitnehmer Förderungsfonds (waff). "Jeder zweite Absolvent findet auch einen Job."
Auch die Lehrlinge selbst sind größtenteils zufrieden.

Der KURIER traf acht von ihnen. "Die Ausbildung ist oft besser als in echten Firmen", sagt Restaurantfachfrau Jessica Bartl. Das glaubt auch Josip Kenezović. Der 19-Jährige fertigt Ersatzteile für die Wiener Linien an. "In der normalen Lehre würden wir von den Chefs als billige Hilfsarbeiter missbraucht oder nur in Teilbereichen ausgebildet, die der Firma, nicht aber uns nutzen."

Und die Nachteile? "Es ist schwieriger, einen Job zu finden", sagt Einzelhandelskauffrau Filiz Kur. "Schließlich sind die anderen ja schon in Firmen drinnen."

Kritiker

Bei der ÖVP glaubt man, dass der künstlich geschaffene Ausbildungsmarkt sinnlos ist. Die 74 Millionen Euro, die AMS und Stadt jährlich in das Projekt pumpen, wären anders besser aufgehoben, sagt Gemeinderätin Isabella Leeb, die in ihrem Betrieb selbst Lehrlinge ausbildet.

"Selbstverständlich sind mir Jugendliche in überbetrieblichen Werkstätten lieber als auf der Straße." Das Problem sei, dass eine unvermittelbare Minderheit mit jenen zusammengewürfelt würde, die mit wenig Hilfe eine Lehrstelle finden würden. "Das senkt aber das Niveau merklich."

Argumente, die bei der SPÖ nicht auf Gegenliebe stoßen. "Die Unternehmer, die ÖVP und WK vertreten, sehen das offenbar anders", kontert Wehsely. "Immerhin werden 30 Prozent der überbetrieblichen Lehrlinge eines jeden Jahrgangs von Unternehmern übernommen."

Problem Abbrecher

Die SPÖ ortet an anderer Stelle Handlungsbedarf. "Doch die betreffen alle Lehrlinge gleichermaßen", sagt Wehsely. Immer mehr Jugendliche beenden die dreijährige Ausbildung nicht. "Jeder Zehnte, der die Abschlussprüfung nicht bestanden hat, tritt nicht wieder an. Hier müssen wir ansetzen."

Josip, Sasa und Jessica haben den ersten Prüfungstermin erst vor sich. "Wird scho", sagt Sasa. "I glaub a", meint Josip.

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