Trend zu Second Hand: Tandler erwachen aus Dornröschenschlaf
Uralte, teure Möbel hinter staubigen Vitrinen in dunklen Läden. Das Klischee, das dem Altwarenhandel anhaftet, hat in den vergangenen Jahren deutlich an Gewicht verloren. Im Lager von Altwarenhändler Christof Stein ist dieses antiquarische Flair zwar noch zu spüren – sein Laden aber, in dem er kleinere Second-Hand-Stücke verkauft, ist das völlige Gegenteil. Eine pinke Fassade, helle Innenausstattung und poppige Musik erwarten einen hier im „Ramsch und Rosen“.
Dass Altwaren nicht mehr nur ein Statussymbol für Vermögende, sondern längst in der Allgemeinheit angekommen sind, zeigt sich hier an einem Paradebeispiel: Für gebrauchte Gegenstände stehen Menschen regelrecht in der Schlange.
Ein Einzelfall sei das aber nicht: „Die bewusste Suche nach Waren aus zweiter Hand erlebt eine Renaissance“, sagt Karl Heinz Kremser, Berufszweigobmann der Wiener Altwarenhändler.
Schneller Wechsel
Das merkt auch Christof Stein: Etwa zehn Jahre lang hätten alte, gebrauchte Möbel niemanden interessiert. Die Menschen seien an einem schnellen Möbel-Wechsel interessiert gewesen, der ihnen von Möbeldiskontern geboten wurde, sagt Stein.
Wolfmich
Für diesen Shop reisen sogar die Influencer aus Berlin extra an. Auch Luxusware, kein Ramsch.
6., Gumpendorferstraße 51
Polyklamott
Toll sortiert, viel Markenware, angemessene Preise.
6., Mollardgasse 13
Ramsch und Rosen
Der Name ist Programm. Eine Institution für den Kleinkram.
7., Neubaugasse 59
Carla
Second-Hand-Läden der Caritas mit großer Auswahl (Mode, Möbel etc.). Zwei Mal in Wien:
5., Mittersteig 10
21., Steinheilgasse 3
Kremsers Schatztruhe
Klassischer Altwarenhandel:
An- und Verkauf von Antik-, Alt- und Gebrauchtwaren.
14., Linzer Straße 54
Mit dem wachsenden Bewusstsein rund um die Klimakrise aber hätten die Menschen begonnen, bereits produzierte, gebrauchte Möbel zu kaufen – um der Materialienverschwendung etwas entgegenzusetzen.
Im Lager von Christof Stein befinden sich auch hochpreisigere Gegenstände..
.. wie diese Nashörner einer ehemaligen „Abercrombie & Fitch“-Kampagne.
„Seitdem ist der Altwarenhandel aus dem Dornröschenschlaf erwacht“, sagt Stein. „Dinge, die man vor 20 Jahren weggeschmissen hätte, boomen heute.“ Art-Deco-Möbel oder Gegenstände aus den 50er- und 60er-Jahren etwa. „Alles, was ein bisschen lustig ist und sich gut kombinieren lässt, wird wahnsinnig gut angenommen“, sagt er.
Grund für diese neu entdeckte Vorliebe der Menschen zu Second-Hand-Gegenständen sei aber nicht nur die Nachhaltigkeit. Der Krieg etwa befeuere das Bedürfnis der Menschen nach einem „geborgenen, warmen Zuhause“. Schwere Teppiche, die lange niemand haben wollte, seien plötzlich wieder gefragt. „Es ist wie in der Biedermeierzeit. Die Leute ziehen sich zurück und sehnen sich nach Dingen, die ihnen ein Gefühl von Wärme geben“, sagt Stein. Dazu kämen die gestiegenen Preise: Während in fast allen anderen Bereichen die Preise steigen, sei bei den Gebrauchtwaren keine nennenswerte Teuerung spürbar, heißt es aus der Wirtschaftskammer Wien.
Keine Nische mehr
Der Aufschwung, den Second Hand derzeit erlebt, geht aber weit über die klassischen „Tandler“ hinaus. Auch in der Mode muss es längst nicht mehr immer nur das Neueste von der Stange sein, sagt Christoph Pfandler vom Vintage-Laden Polyklamott.
Als das Geschäft vor 23 Jahren seine Tore öffnete, seien die Kunden fast alle aus dem erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis gewesen. Second Hand als richtige Nische eben. Nun aber habe sich das geändert: „Die multiplen Krisen der vergangenen Jahre beflügeln die Nachfrage nach Second-Hand-Mode.“
Während der Pandemie hätten die Menschen gemerkt, was es alles benötigt, um Kleidung herzustellen – und welche Nachteile das haben kann. Zusätzlich dazu hätten die Menschen die Lust an der Uniformität verloren. „Sie setzen wieder vermehrt auf Einzigartigkeit und Individualismus“, sagt Pfandler. Und das könne eine Billigmodekette eben nicht bieten.
Dieser Trend reiche mittlerweile über alle Altersgruppen hinweg, sagt Pfandler. Dennoch merke man eine Verschiebung hin zu einer jüngeren Kundenschicht: „Nach wie vor sind die 20- bis 30-Jährigen die stärkste Altersgruppe. In den vergangenen Jahren sind allerdings viele Teenies dazugekommen.“
Das spreche auch dafür, dass Second Hand weiter in Mode bleibt. „Trends kommen und gehen, aber damit dieser Trend abflacht, müsste eine Lösung für die Klimakrise und für die Probleme bei der Produktion von Kleidung gefunden werden“, sagt Pfandler. Und das würde fast an ein Wunder grenzen.
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