Treffpunkt Wien: Über Rituale und Rollgerstenrisotto

Kabarettist und Autor Werner Schneyder.
Beim Stadtwirt spricht Werner Schneyder über Silvester. Und darüber, was ihn davon abhält, zu resignieren.

Das Angenehme am Alleinleben, findet Werner Schneyder: „Man isst nur, wenn man wirklich Hunger hat.“

Denn Essensentscheidungen bei Paaren würden ja meist so ablaufen: Immer frage einer „Was möchtest du heute essen?“ oder „Weißt du, worauf ich Lust habe?“ und man esse zu oft, ohne es wirklich zu wollen.

Das tut Werner Schneyder nicht. Er fragt nur sich selbst und kommt – wenn er in Wien ist – häufig zu dem Schluss, im Stadtwirt in der Landstraße einzukehren.

Treffpunkt Wien: Über Rituale und Rollgerstenrisotto

Ein Bezirk, der dem 81-Jährigen sehr zusagt – wie überhaupt die ganze Stadt. „Ich bin fürs Studium nach Wien gekommen Mitte der 50er-Jahre und kann sagen: Die Stadt hat eine unglaubliche Entwicklung gemacht.“

Deshalb werde er, solange er gehen, kann zwei Wohnsitze haben: einen am Millstätter See und einen in Wien, erzählt er, während er sich an diesem Dezembertag wieder einmal im Stadtwirt eingefunden hat.

Ohne Sternenhimmel

Im November vor 18 Jahren haben Elfi und Martin Lang das Luxusrestaurant Gottfried in der Unteren Viaduktgasse übernommen, das Lokal komplett erneuert – „also den Glanz, den Sternenhimmel und Seidentischtücher entfernt“ – und daraus ein gemütliches Wirtshaus mit dunkler Holzvertäfelung und weißen Stofftischtüchern gemacht. Auf der Speisekarte finden sich Nierndln, Filetsteak vom Mastochsen oder auch Apfelstrudel. Werner Schneyder entscheidet sich für Rollgerstenrisotto.

Treffpunkt Wien: Über Rituale und Rollgerstenrisotto

Elfi und Martin Lang servieren Wiener Küche.

Hat er hier eine Leibspeise? Werner Schneyder schüttelt den Kopf. Aber ein Ritual: „Ein Mal im Jahr wünsche ich mir einen gebackenen Karpfen – nicht geschröpft (beim Schröpfen wird die Haut des Fisches eingeschnitten, die Gräten werden zerkleinert, Anm.) und in Hufeisenform. Das erinnert mich an das Weihnachtsessen in meiner Kindheit.“

Das ist aber sein einziges Winterritual. Sonst glaube er weder an Glücksbringer noch Bräuche an Silvester.

Ist ihm dieses Datum also nicht wichtig? „Das ist in verschiedenen Lebensphasen anders. Es gab Zeiten, da hat man zu Silvester groß eingeladen, dann hat man wieder klein gefeiert. Und wenn man dann alleine lebt, so wie ich jetzt, macht man eigentlich kein Silvester.“ Dafür wird er an Silvester diesmal arbeiten – also am Nachmittag. Abgesehen von einem Auftritt im Akademietheater hat er sich den 31. Dezember nämlich sein Leben lang freigehalten. Heuer wird er um 16 Uhr auf der Bühne des Theater Akzent sitzen– „und erzählen, was im nächsten Jahr auf uns zukommt.“ Dafür hat er seine Aphorismen, Gedichte, Glossen und Erzählungen durchstöbert.

„Kabarett ist es also keines. Ich lese“, schießt Werner Schneyder rasch nach. „Nicht, dass mir die Menschen nachsagen könnten, ich halte meine Versprechungen nicht.“ Im Jänner 2017 feierte er doch mit seinem Programm „Das war’s von mir“ seinen 80. Geburtstag.

Literatur als Lehrer

Lesen sei ein äußerst wichtiger Teil seines Lebens. „Meine Weltanschauung leitet sich eigentlich aus der Literatur ab“, sagt er als ihm das Risotto serviert wird. „Jede Karriere beginnt doch mit dem Komplex: Die Welt hat nicht auf dich gewartet.“ Deshalb sei es so wichtig, in guter Literatur bestätigt zu finden, dass man kein Idiot, kein Kretin ist.

„Resignative Autoren sind mir also schon als Jugendlicher sehr auf die Nerven gegangen. Diese flächendeckenden negativen Urteile finde ich unzumutbar.“

Und wenn sich nach vielen Jahren politischen Kabaretts bei ihm die Resignation einzuschleichen droht?

„Dann denke ich daran, dass mein Enkel Fabian einmal lesen wird, was der Opa geschrieben hat.“ Der soll nichts Deprimierendes vorfinden. Werner Schneyder nimmt heute ausnahmsweise einen Schluck hausgemachte Zitronen-Ingwer-Limonade.

Vielleicht ist dieser Fokus einer der Gründe, wieso der Schauspieler, Kabarettist, Autor, Regisseur und Sportkommentator in seinem Leben so viele Dinge geschafft hat, so viele Projekte angegangen ist: Er schaut auf die Stärken und er schaut nicht gern zurück. „Auf die Frage, welches Projekt mein liebstes ist, habe ich immer gesagt: Das nächste.“

Nachmittagslesung: Wie wird  das neue Jahr? Werner Schneyder untersucht seine Aphorismen, Gedichte, Glossen, Erzählungen und Kabaretttexte nach näheren Auskünften.  Wann und wo:  31. Dezember, 16 Uhr, im  Theater Akzent (4., Theresianumgasse 18) Karten unter: 01/50165-13306. Info: www.akzent.at

Kommentare