Treffpunkt Wien: Über Weiden und Wolfsbarschfilet
© Kurier/Juerg Christandl
Osteria d’Atri. Beim Italiener verriet Udo Samel, warum ihn ein neues Opernstück wieder nach Österreich brachte
„Ein Jammer“, wird Schauspieler Udo Samel als Komponist Krachmeyer ab Samstag auf der Bühne der Staatsoper sagen, „ein Jammer, dass keiner mehr zuhört. Das Ohr geht baden, es ist überfüllt.“ Es sind Sätze, die Udo Samel aus der Seele sprechen und es war die Botschaft des Stücks „Die Weiden“, die ihn überredet hat, nach Wien zu kommen.
Der deutsche Schauspieler, aktuell in der Sky-Produktion „Babylon Berlin“ zu sehen, verließ 2015 nicht nur das Burgtheater nach fast elf Jahren, sondern auch Wien. Nun hatte er sich eigentlich vorgenommen, Österreich nicht zu besuchen, „weil mir das in den Farben gerade nicht passt“. Aber wenn, würde er für eine politische Stellungnahme zurückkehren.
„Die Weiden“ handelt vom frisch verliebten Paar Peter und Lea, das einen Strom hinabfährt – hinein in das Herz eines zerrissenen Europas. Seine Figur des Komponisten Krachmeyer, das gefällt Udo Samel, „greift mit seinen Aussagen an eine Achse, die in Österreich ja gerade wieder bewegt wird – und zwar rückwärts. ,Willkommen im Dunkelland‘, wie es in der Oper heißt.“
Weiße Stadt
Dabei sei Wien ja so viel heller als früher. „Ich kenne das beängstigende Wien der 60er-Jahre. Alles war schwarz und schwer. Jetzt ist die Stadt wieder weiß.“
Udo Samel greift zum Weinglas und nimmt einen Schluck. Er sitzt auf seinem Lieblingsplatz in der Osteria d’Atri, in der Schauflergasse und springt auf, als nun der Lokalbesitzer die Stiegen heraufkommt: Maurizio d’Atri, den Udo Samel seinen Neffen nennt.
Richtig verwandt sind die beiden nicht, aber so bezeichnet Udo Samel den Gastronomen seit seinen Probenarbeiten zu „Wallenstein“ im Jahr 2007.
Udo Samel, der damals in der Servitengasse lebte, erkannte während der Arbeiten nicht nur, dass sich das Grab des Adeligen Octavio Piccolomini (den er spielen sollte) tatsächlich gegenüber seiner Wohnung befand – in der Servitenkirche. Als er diese Geschichte in der Osteria erzählte und ihm ein Adelsbüchlein gereicht wurde, erkannte Udo Samel noch dazu, dass die Ahnen der d’Atris mit den Piccolomini-Tedeschis verwandt waren. Und so war wohl Samel irgendwie Maurizio d’Atris Onkel.
Udo Samel lacht.
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Menschliche Karte
Speisekarte gibt es in dem feinen Lokal mit original italienischer Küche keine. „Die Speisekarte bin ich“, sagt Maurizio d’Atri, lacht und referiert das Angebot. Samel entscheidet sich für Rindercarpaccio mit Ciprianisauce, Tagliolini mit Butter und weißem Trüffel sowie ein Filet vom wild gefangenen Wolfsbarsch. Essen ist für Udo Samel Genuss. Man müsse dem Körper Gutes zuführen, um Gutes leisten zu können. Vor allem in aufregenden Zeiten wie diesen.
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Die aktuelle Aufregung erinnert Samel an seine Anfänge als Schauspieler. In den 60er-Jahren wollte er mit seiner Theater-AG „Frühlings Erwachen“ aufführen. „Das wurde zum Skandal. Bei einem Gastspiel in einer Schule hat der Elternbeirat das Stück verhindert.“ Er habe früh gemerkt, dass die Offenheit der Menschen Grenzen hat.
Aber, ergänzt er – und hebt sein Glas – man dürfe nie die Hoffnung aufgeben, dass der Mensch die Fähigkeit habe, sich zum Besseren zu entwickeln.
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