Traumazentrum Brigittenau: „Dann sind wir endgültig tot“

Die große Flügeltür zum Vortragssaal im Erdgeschoß ging am Montagvormittag nicht mehr zu. 220 Mitarbeiter des in Wien besonders beliebten Unfallkrankenhauses in der Brigittenau drängten sich in den zu kleinen Saal. Wollten von den Verantwortlichen in der AUVA-Generaldirektion wissen, wie es mit ihnen und ihren Patienten weitergeht.
Trauma im Zentrum
Die allgemeine Stimmung im Traumazentrum Brigittenau war derart aufgeheizt, dass der KURIER auch auf dem Gang vor dem Saal jedes Wort mitbekommen musste.
Die Mehrheit der Belegschaft hatte in der Vorwoche aus den Medien erfahren, dass ihr Spital, das „Lorenz Böhler“, endgültig filetiert werden soll. Ein Brandschutzexperte wird vorgeschoben. Er muss erklären, dass er bis zum Schluss gehofft hat, eine Einigung mit der Behörde zu erzielen: „Und Sie möchten ja auch nicht Ihre Patienten und sich selbst in Gefahr bringen.“

Ein Oberarzt kritisiert vor dem Saal lautstark, dass man sich in der Generaldirektion der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) keinen Plan B zurechtgelegt hat. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen: „Es gibt für uns einen Maulkorberlass.“
Für Manfred Rabensteiner gilt dieser Erlass nicht, er ist der Betriebsratsvorsitzende der AUVA und darf sagen, was er denkt. Aus dem Saal dringt seine Bitte nach draußen: „Herr Generaldirektor, ich bin wahrscheinlich der Einzige hier, der Ihnen noch vertraut, also bitte enttäuschen Sie mich nicht. Ich werde von Kollegen und Kolleginnen angerufen, die Existenzängste haben und die daher am Telefon zu weinen beginnen.“
Konkrete Fragen werden gestellt: „Können Sie uns bitte sagen, wohin wir ab morgen zur Arbeit fahren sollen?“ Einzelne Abteilungen – so lautet der grobe Strukturplan – sollen in das UKH Meidling abgesiedelt werden, andere in die AUVA-Rehaklinik „Weißer Hof“ in Klosterneuburg, wieder andere in das AKH Wien integriert werden.
Das Pikante daran: Selbst der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) war in diese Pläne nicht eingeweiht.
Beim Eingang weint eine Pflegerin. Sie wischt sich eine Träne aus den Augen, dann sagt sie: „Die haben uns doch seit 2018 systematisch fertig gemacht. Die haben jetzt ein gut funktionierendes Spital auf dem Gewissen. Wenn wir hier rausgehen müssen, dann sind wir endgültig tot.“
Seit 31 Jahren arbeitet sie „im Dienste der Patienten“. Über die Jahre sind ihr auch ihre Kollegen auf der Station ans Herz gewachsen: „Wir sind hier wie eine Familie.“
Kurz vor 12 Uhr blickt der Betriebsratsvorsitzende auf seine Uhr: „Heute stehen 17 Operationen auf dem Plan, eigentlich sollten die Kollegen schon seit acht Uhr in der Früh operieren.“ Was sie ihren Patienten für morgen, übermorgen und nächste Woche sagen sollen, auch darauf bekommen die Oberärzte vorerst keine konkrete Auskunft. Am Ende des Tages haben sie alle 17 OPs verschoben.

Auch Streik ist möglich
Der Unternehmer Alexander Steinbach, der in der Vorwoche an der Hand operiert wurde, zeigt Verständnis für die längere Wartezeit: „Ich werde hier top behandelt. Ich habe Respekt für den Protest.“
Für die Belegschaft soll es einen Sozialplan geben, so Betriebsrat Rabensteiner. Ein Streik steht ebenso im Raum. Für Mittwoch lädt er zu einer neuen Betriebsversammlung, vor dem Spitalseingang.
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