Traditionswirte unter Druck

Vozicky: „Wollten zusperren, solange wir schwarze Zahlen geschrieben haben“
Viele Auflagen, viel Bürokratie und noch mehr Konkurrenzdruck bereiten alteingesessenen Wirten Sorgen.

Er war bekannt für sein Salzburger Augustiner Bräu, das Surschnitzel und den großen Gastgarten mit Live-Musik. Vor zwei Wochen schlossen sich die Türen des urigen Bamkraxler in der Kahlenberger Straße (19. Bezirk) endgültig. "Wir wollten aufhören, solange wir noch positiv bilanziert haben", erklärt Daniel Vozicky, der das Lokal mit seiner Frau vor 16 Jahren übernommen hat.

Der Bamkraxler ist in Wien kein Einzelfall. Der Wirt des legendären Kuchldragoner warf vor knapp einem Jahr das Handtuch. Das Liebstöckl & Co ist insolvent. Das Melrose musste auch zusperren. Beinahe im Wochentakt werden Restaurantschließungen publik. Droht in Wien ein Wirte-Sterben?

Marktverschiebung

Wenn man die Zahl der Gastronomen ansieht, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Mitgliederzahl von 5434 auf 5583 erhöht.

Traditionswirte unter Druck
"Diese Zahl sagt nichts aus", sagt Immobilienmakler Heribert Legenstein, der sich auf Gastronomiebetriebe spezialisiert hat. Es gebe eine starke Fluktuation, viel Verschiebung auf dem Markt. Ja, Ketten, Imbissbuden oder kreative Projekte von Quereinsteigern wären sogar im Aufschwung. Aber um Traditionswirtshäuser macht sich Legenstein große Sorgen.
Traditionswirte unter Druck
Heribert Legensteiner
Denn die Zahl der Wirtshäuser, für die er einen Nachfolger suchen soll, werden immer mehr. Fünf Wiener Wirte meldeten sich mindestens im Monat. Aber bitte, bei den Verhandlungen dürfe der Name des Lokals nicht genannt werden; man wolle Stammpersonal oder Mitarbeiter nicht alarmieren. Sie hätten genug von den Schikanen, wollen sich das mit der Registrierkasse nicht mehr antun, solche Sätze hört er oft. Laut Wirtschaftskammer ist die Zahl der Gasthäuser heuer jedenfalls von 77 auf 43 gesunken.

Mehrere Mosaiksteine

Warum der Bamkraxler zusperrte? Einen einzelnen Grund kann Daniel Vozicky nicht nennen. "Es waren viele kleine Mosaiksteine, die zusammengespielt haben."

Etwa die vielen Auflagen, die in relativ kurzer Zeit dazukamen (Rauchverbot, Allergenverordnung, Registrierkasse, Barrierefreiheit – "in typisch österreichischer Soft-Variante"). Dazu kamen Personal- und Finanzprobleme. Und nicht zuletzt die Behandlung: "‚Als hätten wir etwas Illegales verbrochen, standen im laufenden Betrieb auf einmal 17 Personen von der Behörde plus uniformierte Polizei im Restaurant. Und das soll eine Standardkontrolle sein?", fragt Vozicky.

"Wir haben lange vor dem Moment gewarnt", sagt Peter Dobcak, Gastronomieobmann in der Wirtschaftskammer Wien.

Traditionswirte unter Druck
BILD zu OTS - Dobcak neuer Gastro Chef in Wien
"Die Bürokratie ist von der Politik losgelöst und macht den Wirten das Überleben immer schwerer. Es muss jetzt etwas getan werden."

"Es fehlt an Wertschätzung", meint auch Legenstein. Bei den Banken würden Gastronomen mittlerweile als Risikokunden eingestuft werden. Immer öfter würden Interessierte keinen Kredit bekommen und könnten ihr Wunschlokal deshalb nicht übernehmen.

Zumindest die Tradition des Bamkraxlers wird in gewisser Art weitergeführt. Am Sonntag wurde das Mobiliar verkauft. Ein Tisch hat jetzt in der Gartenlaube treuer Stammgäste einen neuen Platz gefunden.

Ein Wiener Gastronom ist verärgert. Und zwar sehr. So sehr, dass er jetzt das Handtuch wirft. Der Gastronom, der seinen Namen und den seines Lokals nicht in der Zeitung lesen will, eröffnete vor knapp drei Jahren ein Restaurant. Ein zweites sollte folgen, die Bürokratie in der Wiener Verwaltung habe ihn davon abgehalten.
Hier ein Auszug: Der Gastronom beantragte für seinen Schanigarten Öffnungszeiten bis 23 Uhr. Die zuständige Magistratsabteilung verweigerte das: Der Lärm sei laut Berechnungen unzumutbar für die Anrainer, es komme zur Gesundheitsgefährdung. Das Pikante: Der Gastgarten gegenüber darf bis 23 Uhr geöffnet sein. Von eine Gesundheitsgefährdung dort war keine Rede. Der Gastronom wehrte sich (mit Anwalt), es gab ein Lärmgutachten und – siehe da – doch kein gesundheitsgefährdender Lärm.

Anderes Beispiel: Der Wirt wollte in seinem Geschäftslokal gerne offene Fensterfronten einbauen, damit die Gäste im Sommer quasi draußen sitzen. Das untersagte die Behörde, weil dadurch eine Geruchsbelästigung für die Anrainer entstehen könnte. Dass der Schanigarten nur einen Meter neben den Fensterfronten ist, war nie Gegenstand einer möglichen Geruchsbelästigung.

Viele Zuständigkeiten„Das Ärgerlichste aber ist, dass die verschiedenen Magistratsabteilungen und der Arbeitsinspektor dann auch noch unterschiedliche Ansichten zu jedem Thema haben können“, sagt der Gastronom. „Was in Wien passiert, ist der absolute Super-Wahnsinn und hat nichts mehr mit korrekter Verwaltung zu tun. Das ist reine Schikane.“

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