Die US-Amerikaner erobern Wien

Die US-Amerikaner erobern Wien
Sie lieben Architektur, Musik und Sigmund Freud. Betriebe freuen sich über Rekord an Nächtigungen.

Welche Stadt liegt zwischen Melbourne und Vancouver? Es ist Wien – zumindest in der gestern, Donnerstag, veröffentlichten jüngsten Erhebung der lebenswertesten Städte der Welt. In der Wertung des Londoner Instituts "Economist Intelligence Unit" belegt Wien den zweiten Rang – und damit wieder einmal einen Spitzenplatz. Das wirkt sich auch auf den Tourismus aus: Auf dem Vormarsch sind vor allem Gäste aus den USA – nach Deutschen und Österreichern stellen die Amerikaner bereits die drittmeisten Touristen in der Bundeshauptstadt.

"Im Vorjahr verzeichneten wir mehr als 843.000 Nächtigungen von Amerikanern", sagt Norbert Kettner, Geschäftsführer von Wien Tourismus. Ein "all time high", wie er es nennt – also ein absoluter Spitzenwert: "Eine ähnliche Anzahl hatten wir zuletzt im Jahr 1990 mit zirka 824.000 Übernachtungen." Die USA seien somit der wichtigste Fernmarkt Wiens.

"Entgegen gängiger Klischees sind die Amerikaner ein sehr gut informiertes Publikum", schildert Kettner. Tatsächlich verfüge der Großteil über ein hohes Bildungsniveau und – wenig überraschend – auch über ein gehobenes Einkommen. Mehrheitlich stammen sie aus den Regionen um New York, Boston und Miami – aber auch Bewohner der Westküste zieht es häufig nach Wien: "Gerade die Bewohner der Küstenregionen der USA empfinden eine enge kulturelle Nähe zu Europa", erklärt Kettner.

Wiener Wurzeln

Nicht zu vergessen sei die Migration von Österreich in die USA vor und während des Zweiten Weltkriegs: "Die Opfergeneration gab die Nähe zu Wien nicht auf, deren Kinder haben Österreich aber oftmals gehasst", erläutert Kettner. "Die Enkel sind weniger belastet von den Erlebnissen der Großeltern. Viele von ihnen suchen nach ihren Wurzeln und bereisen Wien." Ebenso im Trend: Großeltern, die mit ihren Enkeln verreisen: "Die einen haben die Zeit, die anderen das Geld."

Doch was lockt amerikanische Touristen abseits familiärer Bande nach Wien? Dass Reisen für Vorurteile tödlich ist, stellte einst schon der amerikanische Schriftsteller Mark Twain fest. Und doch sind es mitunter die Vorurteile – wenn auch im positiven Sinne – derentwegen Amerikaner Wien kennenlernen wollen: Sie verbinden mit Wien imperialistische Architektur, klassische Musik und – dank ihrer Affinität zur Psychoanalyse – selbstverständlich auch Sigmund Freud.

Erster Besuch in Stadt

Auf klassische Musik, prächtige Architektur und guten Kaffee hatte sich auch Andrew Bender aus Kalifornien gefreut: Er lebt in Los Angeles, bereist aber die Welt, um in seinem Blog (wheres-andy-now.com) darüber zu berichten. Freilich sei eine Wien-Reise für Amerikaner nicht alltäglich, erklärt er: "Die meisten haben nur zwei, drei Wochen Urlaub pro Jahr. Auch der Flug ist teuer."

Die US-Amerikaner erobern Wien
Andrew Bender, ein amerikanischer Tourist in Wien, Wien am 25.07.2016.
Auch er landete nun zum ersten Mal in Wien: "Viele der Klischees sind wahr", resümiert er. "Schönbrunn, das Kunsthistorische Museum oder das Belvedere sind überwältigend." Freilich, einige seiner Vorurteile seien gemäß des Sprichworts auch "gestorben": So gelte Wien in Amerika als traditionell und eher konservativ. Tatsächlich sei es ebenso eine junge, moderne Stadt: "Ich liebe den Naschmarkt oder die Neubaugasse", schildert er. "Dort gibt es so viele junge Geschäfte und Bars."

Was ihn besonders begeisterte? "Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren fantastisch", entgegnet er ohne nachzudenken. Was nicht so gut klappte? Ins Internet zu kommen sei zuweilen eine Herausforderung: "WLAN funktioniert oft nicht. Das ist etwas retro." Und was ihn am meisten überraschte? "Die Öffnungszeiten der Geschäfte. Ich hatte Kopfschmerzen, konnte aber keine geöffnete Apotheke finden. Andererseits ist Kleidung in Wien günstig."

Auch Kettner bestätigt: "Viele Touristen sind verblüfft, wie jung sie Stadt ist." Ein weiteres Plus: "Dass Wien ständig zu einer der lebenswertesten Städte gekürt wird, zeigt, wie sicher Wien ist." Sein Ziel für die Zukunft? "Dass es einen Direktflug zur Westküste gibt." Damit in Zukunft noch mehr Amerikaner Wien besuchen können.

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