Tierschutz vs. Fiaker: Zwei Seiten der Pferdeliebe

Im Sommer protesierte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) gegen die Fiaker: Für sie ist die Verwendung von Pferden in der Stadt nicht mehr zeitgemäß. Daher forderten sie: „Verschlaf nicht das 21. Jahrhundert“
Eine Petition sorgt für Ärger. Dabei wollen alle nur das Beste für die Tiere.

Elisabeth Sablik hat eine Mission, und die lautet: "Pferde raus aus der Stadt". Daher startete die Tierschützerin und Kampagnenleiterin mit dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) im Juni eine gleichnamige Aktion. Bereits nach einigen Wochen erreichten sie die angepeilten 15.000 Unterschriften. Fiaker-Sprecherin Martina Michelfeit-Stockinger ist wütend: Sie spricht von "Lügen" und "Rufschädigung". Kontrahenten also, die beide Pferde lieben – und die einander dennoch in allem widersprechen.

Tierschutz vs. Fiaker: Zwei Seiten der Pferdeliebe
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Uneins ist man bereits über die Aussagekraft der Petition: Für Michelfeit-Stockinger handelt es sich um "wertlose Unterschriften". Denn: "Sie lassen Menschen unterschreiben, die nicht einmal wissen, worum es geht." Sablik wehrt sich: "Ja, wir erlauben allen, zu unterzeichnen, etwa auch Touristen. Aber wir wollen einfach ein menschliches Stimmungsbild schaffen."

In der Hitze der Stadt

Die Sommerhitze trug freilich zum Erfolg bei: "Die Tiere tun den Menschen leid. Viele rufen deshalb bei uns an", schildert Sablik. Den Einsatz der Pferde bei der Hitze kritisiert auch Oliver Bayer, Sprecher des Wiener Tierschutzvereins: "Man muss sich ja nur selbst ein oder zwei Stunden bei 38 Grad auf den Stephansplatz stellen."

Fiaker in Wien:

Tierschutz vs. Fiaker: Zwei Seiten der Pferdeliebe

Martina Michelfeit
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Martina Michelfeit
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Michelfeit-Stockinger argumentiert, menschliches Empfinden könne man nicht ohne Weiteres auf Pferde übertragen: "Sie sind nicht so hitzeanfällig wie Menschen." Zudem befänden sich die Standplätze 70 Prozent des Tages im Schatten. "Und die Pferde werden täglich vom Tierarzt kontrolliert."

Freilich kritisiert der VGT nicht nur den Einsatz in der Hitze: So seien viele Tiere in Boxen ohne Auslauf untergebracht. Das will die Fiaker-Sprecherin so nicht stehen lassen: Die Pferde hätten Auslauf, und der Großteil lebe ohnehin in Koppeln in Simmering und der Freudenau.

Tierschutz vs. Fiaker: Zwei Seiten der Pferdeliebe
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Des Weiteren sorgt sich Sablik: "Pferde sind Fluchttiere, es könnte zu Unfällen kommen." Wenig überraschend widerspricht die Fiaker-Sprecherin: Pferde würden nur vor Feinden flüchten, die drohen, sie zu fressen – und die gebe es in der Stadt nicht. Nachsatz: "Es passieren sicher mehr Unfälle mit Flugzeugen als mit Fiakern."

Und so geht es weiter – stets steht Aussage gegen Aussage: Der Einsatz stresse die Tiere, heißt es hier. Die Pferde würden liebevoll ausgebildet und an die Stadt gewöhnt, heißt es dort. Das Laufen auf Asphalt schade den Gelenken, meint die Eine. Es komme zu keinen signifikanten Abnützungserscheinungen, kontert die Andere.

Scheuklappen?

Die Tierschützerin mutmaßt, die Abschaffung der Fiaker scheitere vor allem daran, dass man nicht auf die Einnahmen aus dem Tourismus verzichten wolle. Die Fiaker-Vertreterin wiederum ortet bei den Kontrahenten ideologische Scheuklappen: "Sie sind gegen jede Nutzung von Tieren. Leider folgen sie nicht meiner Einladung und überzeugen sich, dass wir die Tiere artgerecht halten."

Die Stimmung ist dermaßen aufgeheizt, dass sich selbst neutrale Parteien ungern zum Thema Fiaker zu Wort melden. Zu gesundheitlichen Fragen werde er sich keinesfalls äußern, stellt "Wien Tourismus"-Sprecher Walter Straßer klar. Nur so viel: "Die Touristen mögen das Imperiale. Da passen die Fiaker gut dazu."

Mitarbeiter des städtischen Veterinäramtes (MA 60) verweigern gar jede Stellungnahme: "Wir haben das erschöpfend beantwortet", sagt ein Amtstierarztes. Er verweist auf Aussendungen aus dem Juli, wonach kein Handlungsbedarf bestehe.

Die Liebe zum Pferd

Die Kontrahenten eint also bloß die Liebe zum Tier. Seit ihrem achten Lebensjahr schwärme sie für Pferde, erzählt Michelfeit-Stockinger. "In meinem Betrieb gibt es rund dreißig Pferde – und sie gehören zur Familie." Ähnlich sieht das Fiaker-Fahrer Johann Trampusch: "Ohne Liebe zum Pferd geht es in diesem Beruf gar nicht." Und auch für Sablik steht das Tier an erster Stelle.

Sicher ist: Vonseiten der Tierschützer werden weitere Proteste folgen. Ob sich Sablik vorstellen könne, doch das Gespräch mit den Fiaker-Fahrern zu suchen? Sie sei unsicher, ob das möglich sei, erwidert sie. Nach kurzem Zögern aber fügt sie hinzu: "Eigentlich wäre es kein Problem."

In Wien sind derzeit 405 Pferde im Einsatz. Insgesamt gibt es 58 Platzkarten: So viele Gespanne haben also einen fixen Standplatz in der Stadt. Täglich sind zirka 130 Pferde unterwegs. Ein Fiaker übernimmt durchschnittlich vier bis fünf Fuhren pro Tag. Sie dürfen von 10 bis 22 Uhr im Einsatz sein.

Die Ausbildung der Fiakerpferde dauert zirka drei Jahre. Sie werden unter anderem an das Geschirr und die Stadt gewöhnt.

Der Faktor Arbeit

In Wien gibt es 29 Betriebe – davon 28 Familienbetriebe –, die Fiaker-Pferde zur Verfügung stellen. Insgesamt hängen rund 250 Arbeitsplätze vom Fiaker-Wesen ab.

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