Tierschützer klagt Staat auf 580.000 Euro

Balluch will Ersatz für Detektive und Gutachten
Nach Freispruch: VGT-Obmann fordert Schadenersatz/ Die Chronik eines Ermittlungsskandals

Im Wiener Justizpalast wurde am Donnerstag einmal mehr über die Auswirkungen des "Tierschützer-Prozesses" verhandelt. Der 2011 freigesprochene Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), Martin Balluch, verklagt die Republik Österreich auf rund 600.000 Euro Schadenersatz.

Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, was im Zusammenspiel zwischen Polizei und Justiz alles schief gehen kann: 2006 waren gegen die Tierschutzaktivisten im großen Stil Ermittlungen mit Abhöraktionen und Bespitzelungen aufgenommen worden, 2008 kamen Balluch und acht andere in U-Haft. Sie wurden beschuldigt, Pelzhändler bedroht, Autos beschädigt und Tiere freigelassen zu haben. Nach 105 Tagen hinter Gittern griff der Leitende Oberstaatsanwalt ein und verfügte die Enthaftung der Tierschützer wegen Unverhältnismäßigkeit.

Geschwärzte Akten

Während des Prozesses in Wr. Neustadt von März 2010 bis Mai 2011 wurde bekannt, dass eine beim VGT eingeschleuste verdeckte Ermittlerin mit dem Decknamen Danielle Durand die Aktivisten 16 Monate begleitet und mit einem von ihnen sogar ein Liebesverhältnis unterhalten hatte. Ihr Einsatz sowie ihre Berichte wurden selbst dem Gericht gegenüber geheim gehalten. Anträge auf Akteneinsicht bei der Polizei wurden den Verteidigern verwehrt bzw. Aktenteile nur geschwärzt herausgegeben. Es gab mehrmals Beschlüsse von Richtern, die das als nicht rechtmäßig werteten.

Am 2. Mai 2011 wurden sämtliche Beschuldigte vom Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation freigesprochen.

Balluch wurde vom Staat mit 26.645 Euro entschädigt bzw., wie er selbst das sieht, abgespeist. Nach eigenen Angaben entstand ihm jedoch ein Schaden von 580.716 Euro. Der Betrag setzt sich aus Verdienstentgang, Verteidigerkosten sowie Honoraren für Privatgutachter und Privatdetektive zusammen. Letztere hatten herausgefunden, dass es einen ohne Genehmigung eingesetzten Spitzel gegeben hatte.

Wären die entlastenden Berichte der verdeckten Ermittlerin, die außer Verwaltungsübertretungen keine illegalen Aktivitäten der Tierschützer beobachtet hatte, früher bekannt gewesen, hätte es nach Balluchs Ansicht den Monsterprozess samt U-Haft gar nicht gegeben. "Sie war 19 Monate dabei und hat alles von innen gesehen. Ihr Bericht hätte das ganze Verfahren relativ schnell beendet", sagt Balluch zum KURIER.

Seine Klage gegen die Republik Österreich beim Landesgericht für Zivilrechtssachen wurde 2014 wegen Verjährung abgewiesen: Er hätte schon während der Ermittlungen, womöglich aus der Zelle heraus, die Klage einbringen müssen. Das Oberlandesgericht Wien hob diesen Beschluss auf: keine Verjährung. Die (ohnehin schon blamierte) Republik gab nicht klein bei und ging zum Obersten Gerichtshof. Das Höchstgericht gab wieder Balluch Recht und schickte das Verfahren an den Start zurück.

Es geht um die Frage, ob die Polizei nicht korrekt ermittelt und daher das Verfahren zum Nachteil Balluchs in die Länge gezogen hat. Die damalige Chefin der "Soko Pelz" redete sich im Zeugenstand darauf aus, sie sei nicht zuständig gewesen. Weitere Zeugen will die Richterin nicht hören, ihr Urteil ergeht schriftlich.

Balluchs Anwalt Stefan Traxler geht davon aus, "dass wir das verlieren werden."

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