Mögen Taufliegen in der Wohnung lästig sein – für die Forschung sind sie bedeutende Studienobjekte. „Sie sind genügsam und leicht im Labor zu halten“, erklärt Kapun. Durch sie habe man wertvolle Erkenntnisse für die Medizin gewonnen: „Man kann bei ihnen etwa Typ II Diabetes auslösen, es wird zu Adipositas und auch zu Alzheimer an ihnen geforscht.“ Mehrere Nobelpreise wurden für Forschung dazu schon vergeben.
Studie an 19.100 Fliegen in der Stadt
Nun nahmen Experten erstmals gezielt die Fruchtfliegen-Population in Wien unter die Lupe: Für das Projekt „Vienna City Fly“ am NHM wurden 19.100 Fliegen der Gattung Drosophila aus Wien und Umgebung untersucht. Citizen Scientists (also Freiwillige, die bei wissenschaftlichen Projekten mitmachen) stellten in ihren Küchen Fallen auf und sammelten die Tiere. 91 Personen machten mit, sie stellten insgesamt 278 Fallen auf.
„Insektenforscher gehen normalerweise ja eher in die Natur und nicht in die Innenstadt“, erklärt Biologin Sonja Steindl.
Daher wollte man wissen: Wie und wo leben Taufliegen in der Stadt? Haben Parks oder Grünflächen einen Einfluss? Und wie passen sich die Tiere an den Lebensraum der Menschen an?
Was Mensch und Fliege gemeinsam haben
Das Zusammenleben Mensch-Taufliege ist auch insofern interessant, als beide eine gemeinsame Geschichte haben: „Die Taufliegen der Art Drosophila melanogaster stammen aus Afrika südlich der Sahara – genau wie wir“, erklärt Kapun. Als Kulturfolger wanderten sie mit den Menschen mit und schafften es, sich an die jeweiligen Lebensbedingungen anzupassen, etwa an unsere vier Jahreszeiten.
Wie der Mensch sind auch Taufliegen dem Alkohol nicht abgeneigt: „Der Unterschied ist, dass bei den Taufliegen vor allem Larven gut mit Alkohol zurechtkommen“, sagt Kapun und lacht. Ein Taufliegenweibchen legt seine Eier – bis zu 100 pro Tag – in eine Frucht. Die Larven entwickeln sich dann in dieser Masse, in der der Alkoholgehalt durch die Vergärung steigt.
Wo die Taufliege wirklich wohnt
Und apropos Obst: In den allermeisten Fällen bringt man die Taufliege nicht mit dem Obst aus dem Supermarkt nach Hause. „Sie leben in der Biotonne oder einfach auf dem Apfelbutzen im Mistkübel“, erklärt Kapun. Ihr exzellenter Geruchssinn lockt sie dann zum Obst in der Küche; besonders lieben sie Bananen und Zitrusfrüchte.
Die „Vienna City Fly“-Studie brachte zwei Überraschungen. Erstens stellte sich heraus, dass 13 Arten in der Stadt leben – darunter zwei, die in Österreich erstmals wissenschaftlich nachgewiesen wurden: Drosophila mercatorum und Drosophila virilis. „Die zweite Überraschung: dass mercatorum sogar die häufigste Art ist“, so Kapun.
Manche mögen’s heiß
„Die mercatorum stammt aus Zentralamerika. Wir fanden sie in Wien vor allem in Innenstadtbezirken“, fügt Steindl hinzu. Das bedeutet: Je weniger grün und je heißer der Bezirk, desto eher lebt dort die mercatorum, die an hohe Temperaturen gewöhnt ist. Eingewandert ist sie wohl mit Waren oder mit Menschen. Die virilis wiederum wird oft für Terrarien-Tiere als Nahrung gezüchtet und könnte von dort stammen.
Auch diesen Sommer wird geforscht: Denn nur Beobachtung über längere Zeit zeigt, wie sich die Einflüsse des Menschen (Pestizide, Klimawandel etc.) auf die Tiere auswirken, wie schnell sie sich genetisch anpassen und wie sich die Zusammensetzung der Art verändert.
Manche fliegen jetzt auf Fliegen
Citizen Scientists, die mitgemacht haben, hätten jetzt jedenfalls ein deutlich positiveres Bild von Taufliegen, sagt Kapun. Für jene, die sie trotzdem nicht in der Wohnung haben möchten, ein Tipp der Experten: Ein Glas mit Essig und einem Tropfen Geschirrspülmittel lockt die Tiere an und sie ertrinken darin.
Oder man kann Citizen Scientist werden und sich im NHM eine Falle abholen und diese Zuhause aufstellen – Teilnehmer werden nämlich noch gesucht. Infos dazu unter: viennacityfly@nhm.at
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